Thema des Tages

Alpines Pumpen

Die Berg- und Talwind-Zirkulation in Gebirgen ist häufig Teil eines 
größeren Kreislaufs, denn in der Höhe bildet sich eine dem Berg- und 
Talwind entgegengesetzte Ausgleichsströmung. Der gesamte Kreislauf 
wird auch als "Alpines Pumpen" bezeichnet. 


In Gebirgen entstehen - vor allem an windschwachen Schönwettertagen 
in der wärmeren Jahreszeit Windsysteme mit regelmäßigem, 
tagesperiodischem Wechsel der Richtung. Im Thema des Tages vom 
28.03.2020 
(https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2020/3/28.html ) haben 
wir uns bereits mit einem wichtigen Teilglied des Berg- und 
Talwindsystems beschäftigt, den Hangwinden. Angetrieben durch die 
Sonneneinstrahlung steigt wärmere und damit leichtere Luft an den 
Hängen der Berge auf und es entsteht der Hangaufwind. Die Luft kühlt 
sich beim Aufsteigen ab, sinkt über der Mitte des Tals wieder ab und 
eine geschlossene Hangwind-Zirkulation entsteht.

Am Talboden werden diese Hangwinde vom Talwindsystem überlagert. 
Dieser Effekt lässt sich damit erklären, dass in den Tälern ein 
deutlich geringeres Luftvolumen erwärmt werden muss als im 
angrenzenden Flachland, beispielsweise dem Alpenvorland. Damit steigt
die Temperatur auch deutlich schneller an. Durch die stärkere 
Erwärmung am Tag, respektive durch die stärkere Abkühlung während der
Nacht, entsteht ein Druckunterschied zum umliegenden Vorland. 
Tagsüber bildet sich über den Bergen ein Hitzetief, nachts ein 
Kältehoch. Dieser wechselnde Druckunterschied erzeugt den Tal- und 
Bergwind (siehe obere Abbildung).
Das Hitzetief saugt dabei die Luft vom Flachland an. Dabei wirken die
Täler wie Strömungskanäle - besonders jene, welche zum Hitzetief hin 
ausgerichtet sind. Der Talwind ist zum Teil hochreichend und 
überflutet teils die niedrigeren Voralpengipfel, welche quer zur 
Strömung liegen. In großen Tälern kann die Strömung kräftig werden, 
besonders bei Verengungen, wo der Düseneffekt die Luft zusätzlich 
beschleunigt (siehe untere schematische Abbildung b und c). 

Wann der Talwind einsetzt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Je 
schneller und je stärker die Erwärmung erfolgt, d.h. je rascher sich 
die Druckdifferenz zum Vorland aufbaut, umso kürzer ist die Zeitdauer
bis zum Einsetzen des Talwindes. Beschleunigend wirken eine 
ungehinderte Einstrahlung und eine relativ labile Luftschichtung. 
Auch die Breite des Tals hat einen wesentlichen Einfluss darauf. 
Zusätzlich beeinflussen die Richtung des Höhenwindes und der 
überregionale Druckgradient, wann der Talwind einsetzt. 
Typischerweise passiert dies um die Mittagszeit. Er erreicht eine 
Mächtigkeit von 300 bis 600 m über Talgrund sowie eine Stärke von 
mehreren Metern pro Sekunde. Reduzieren Wolken die Einstrahlung in 
den Alpen, verzögert sich das Einsetzen des Talwindes. Das können zum
Beispiel Cirren, frühe Cumuluswolken mit Ausbreitungen oder 
Wolkenreste von Gewittern vom Vortag sein. Auch schneebedeckte Hänge,
welche die Sonnenstrahlen größtenteils reflektieren, wirken 
verzögernd auf den Talwind. 

Der Kernschwerpunkt des Hitzetiefs liegt über dem Alpenhauptkamm, 
welches sich oft in drei Kernbereiche aufteilen lässt. Ein Teilkern 
liegt in Österreich über den zentralen und westlichen Hohen Tauern. 
Ein weiterer findet sich in der Region vom Arlberg über das Vinschgau
bis ins Oberengadin und ein anderer im Wallis bis ins nördliche 
Tessin. 

Das Talwindsystem kann durch großräumigere Druckkonstellationen 
modifiziert sein. Bei Südüberdruck zum Beispiel verschiebt sich das 
Zentrum des Hitzetiefs einige Kilometer Richtung Norden. Gleichzeitig
nimmt die Druckdifferenz vom Hauptkamm zur Südseite zu, während sie 
zur Nordseite hin abnimmt. So verstärkt sich bei Südüberdruck auf der
Südseite der Talwind, während er auf der Nordseite schwächer wird. 
Umgekehrt führt Nordüberdruck zu stärkerem Talwind am Alpennordhang. 
Auf der Südseite nimmt dann der Talwind ab. Ist das Hitzetief nur 
schwach, wie z.B. im Frühling oder wenn die Hochalpen in Wolken sind,
genügt schon ein kleiner Nord-Süd-Druckunterschied und die Talwinde 
blasen in die entgegengesetzte Richtung. Neben der großräumigen 
Druckverteilung kann auch eine heranziehende Front, welche im 
Flachland schneller vorankommt, die Druckunterschiede abschwächen 
oder ganz aufheben und so die Talwinde unterbrechen. Werden die 
Druckunterschiede zu groß, können die Talwinde ihre Richtung umkehren
und Föhnwinde setzen ein. 

Kommen wir zurück zum "Alpinen Pumpen" und der oben erwähnten 
Ausgleichsströmung. 
Die im Hitzetief aufsteigende Luft führt in höheren Schichten zu 
einem Anstieg des Luftrucks über das Niveau über dem Vorland auf 
gleicher Höhe. Dadurch entsteht in diesen Schichten eine 
Ausgleichsströmung vom Zentrum der Alpen zum Vorland hinaus. Die 
Kompensationsströmung erfolgt mit geringer Geschwindigkeit oberhalb 
der Gipfel. Vor allem im Mündungsgebiet der großen Bergtäler saugt 
der Talwind umliegende Luft an; nicht nur seitlich, sondern auch von 
oben herab. Dort entsteht ein großflächiger Abwind, der recht kräftig
werden und stellenweise 1 m/s bis sogar 3 m/s erreichen kann. Die 
Abwindzone verläuft parallel dem Gebirgsrand entlang, ist 10 km bis 
30 km breit und im Bereich von Talmündungen ausgeprägter. Wenn die 
Talwinde abflauen, nehmen auch die Abwinde ab. 

In der Nacht drehen sich wie beim Hangwindsystem die Verhältnisse um.
Die Luft über den Hochebenen und den Berghängen des Gebirges kühlt 
sich durch die stärkere Ausstrahlung schneller ab als die Luft über 
dem Tal in vergleichbarer Höhe. Inneralpin entsteht das Kältehoch. 
Die nun kühlere, dichtere und somit schwerere Luft strömt die Hänge 
hinab und fließt als Bergwind ins angrenzende Alpenvorland und sorgt 
dort für Frischluftzufuhr (siehe Abbildungen a und d).


MSc.-Met. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 05.04.2020

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