Thema des Tages

Lawinenkunde Teil 2 - Schneemetamorphose

Haben sie schon mal von Becherkristallen, Schwimmschnee oder Firn 
gehört? Schneemetamorphose verändert Neuschnee innerhalb kürzester 
Zeit. Welche Prozesse stecken dahinter und welche Auswirkung hat das 
auf die Stabilität der Schneedecke?


Das Thema des Tages vom 14.01.2020 
(https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2020/1/14.html) 
beschäftigte sich mit allgemeinen Voraussetzungen für Lawinen und die
von ihnen ausgehenden Gefahren. Teil 2 der Lawinenkunde behandelt die
Schneemetamorphose. Es gibt drei Arten der Umwandlung: abbauende und 
aufbauende Metamorphose sowie Schmelzumwandlung.

Zunächst braucht es für die Schneeumwandlung eine geschlossene und 
möglichst ausreichend mächtige Schneedecke, die wir Wintersportler so
sehr lieben. Dabei beginnt alles mit dem Hereinbrechen der kalten 
Jahreszeit. Die Temperaturen sinken und in den Wolken wachsen 
Eiskristalle in den unterschiedlichsten Mustern, wie Prismen, Sterne,
Stäbchen, Plättchen oder Säulen immer aus einer sechseckigen 
Grundform heraus. Dabei sind die Eiskristalle von ihrer Entstehung in
der Atmosphäre bis hin zum Schmelzen ständigen Veränderungen 
unterworfen. Bei einer Temperatur von unter 0°C verhaken sich die 
Schneekristalle und bilden gemeinsam einzelne Schneeflocken. Ab 
diesem Zeitpunkt beginnt sich der Schnee zu verändern. Anfangs haben 
die Schneeflocken noch eine super Bindung untereinander. Ihre 
Struktur mit den vielen Armen lässt Platz für viel Luft in den 
Zwischenräumen und sorgt dafür, dass sich die einzelnen Schneeflocken
trotzdem gut ineinander verkeilen und sich gegenseitig 
zusammenhalten. Jetzt gibt es besten Pulverschnee auf der Skitour.

Doch lange bleibt dieser Zustand nicht erhalten und setzt unmittelbar
nach der Ablagerung ein. Die abbauende Schneemetamorphose beginnt. 
Viele der feinen Äste und Spitzen brechen ab, die Kristalle werden 
kleiner und bekommen gerundete Ecken (Filziger Schnee). 
Windeinwirkung kann diesen Vorgang zusätzlich unterstützen, sodass 
eine regelrechte Zertrümmerung stattfindet. Die Schneekristalle 
verkleinern ihre Oberfläche und Größe weiter, im Bestreben die 
Kugelform zu erreichen. Schließlich werden die vormals sehr 
unterschiedlichen Schneekristalle zu kleinen runden Körnern, sodass 
sich der Porenraum dazwischen verringert. Die Luft aus den 
Zwischenräumen verschwindet und die Schneedecke setzt sich. Die 
Verbindungen zwischen den Körnern sind relativ fest und es entsteht 
eine stabile, gesetzte Altschneedecke.

Die abbauende Metamorphose findet bei einem Temperaturgradienten von 
weniger als 15K/m aber bei Temperaturen unter 0°C innerhalb der 
Schneedecke statt. Bei -5°C dauert die abbauende Umwandlung zwischen 
einer und zwei Wochen. Bei höherer Temperatur oder größerem Druck 
wird die Umwandlung beschleunigt.

Die Veränderung der Schneedecke muss aber an diesem Punkt noch nicht 
abgeschlossen sein. Existieren innerhalb der Schneedecke größere 
Temperaturunterschiede - z. B. aus dem Grund, dass die 
Bodentemperatur konstant bei 0°C liegt, aber die Schneedecke wegen 
extrem kalter Außentemperaturen wesentlich niedriger ist, kommt es 
zur sogenannten aufbauenden Schneemetamorphose. Voraussetzung für das
Einsetzen der aufbauenden Umwandlung ist ein Temperaturgradient der 
größer als 15K/m ist. Insbesondere in Verbindung mit geringen 
Schneehöhen. Je dünner also die Schneehöhe (bevorzugt an 
Geländekanten oder an Felsen), desto geringer die erforderliche 
Kälte.

Durch den Temperaturgradienten beginnt der Wasserdampf im Porenraum 
von den wärmeren bodennahen Schichten zu den kälteren im Bereich der 
Schneedeckenoberfläche zu wandern. Trifft der Wasserdampf auf ein 
Eiskristall, lagert er sich an seiner Unterseite ab und der Kristall 
beginnt nach unten zu wachen. Es kommt zum Aufbau und zur 
Vergrößerung von prismatischen, quaderartigen, pyramiden- oder 
säulenförmigen Schneekörnern. Kantige Formen bilden bei 
fortschreitender Umwandlung Becherkristalle oder den sogenannten 
Schwimmschnee (auch als Tiefenreif bezeichnet). Bei der Entstehung 
größerer Körner haben diese weniger Kontaktpunkte zueinander und es 
entsteht ein größerer Porenraum. Dadurch tritt eine starke 
Entfestigung der Schneedecke ein und es entstehen Schwachschichten, 
die sozusagen im Verborgenen liegen und die Lawinengefahr erhöhen. 
Die aufbauende Umwandlung läuft im Vergleich zur abbauenden 
Umwandlung langsamer ab. Sie dauert zwei bis vier Wochen bis zum 
Aufbau von Becherkristallen.

Steigt die Temperatur in der Schneedecke hingegen auf über 0°C, dann 
setzt die Schmelzumwandlung ein. Wenn die Schneekristalle anfangen zu
schmelzen, setzt sich die Schneedecke und eine Verfestigung tritt 
ein. Ebenso wird die Umwandlung durch Feuchtigkeitszufuhr, wie Regen 
oder Nassschnee, gefördert. Gefriert der durchfeuchtete Schnee, 
entsteht ein Schmelz-Harschdeckel, der bei entsprechender Dicke 
stabilisierend auf die Schneedecke wirkt. Bei starker Durchfeuchtung 
der Schneedecke durch Regen oder Sonneneinstrahlung kommt es zu einem
Festigkeitsverlust, da das freiwerdende Wasser zwischen den 
Kristallen nach unten abläuft. Die Schneeoberfläche wird wellig und 
bucklig. Wenn das Wasser auf eine wasserundurchlässigere Schicht oder
bis zum Boden läuft, entsteht dort ein Schmelzwasserstau, der wie 
eine Schmierschicht wirkt. Diese Schicht ist eine ideale Gleitbahn 
für Nassschneelawinen.

Beim Einsickern von Schmelzwasser in kalte Zonen können auch in 
tieferen Schichten Eislamellen entstehen. Wenn der Vorgang des 
Schmelzens und Gefrierens länger als ein Jahr andauert, entsteht 
Firn. Dauert diese Änderung über mehrere Jahre an, geht der Firn bei 
entsprechenden Bedingungen in Gletschereis über.  


M. Sc. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 21.01.2020

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