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Thema des Tages
Und sie fliegen wieder…
Über Kuriositäten der Vierschanzentournee und warum das Wetter dabei eine entscheidende Rolle spielt, erfahren Sie im heutigen Thema des Tages.
Anfahrtshocke-Absprung-Flug-Telemarklandung. Begleitet von der tosenden Menge und einem langgestreckten „Ziiiieeeeh!“ springen die Athleten wie üblich zur Jahreswende im Rahmen der Vierschanzentournee um Platzierungen und Medaillen. Für viele Skisprungfans ist es das Highlight des Jahres.
Dieser prestigeträchtige Wettbewerb wird offiziell seit 1953 in Deutschland und Österreich ausgetragen. Austragungsorte sind:
29./30.12. Auftaktspringen in Oberstdorf (Schattenbergschanze)
31.12./01.01. Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen (Große Olympiaschanze)
03./04.01. Bergiselspringen in Innsbruck (Bergiselschanze)
05./06.01. Dreikönigsspringen in Bischofshofen
(Paul-Außerleitner-Schanze)
Da die erste Tour im Winter 1952/53 stattfand, kommt es aktuell zur 68. Auflage des Skisprung-Weltcup-Events. Die Anfänge der
Vierschanzentournee gehen bis ins Jahr 1921/22 zurück; seitdem gibt es bereits das Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen. Der damalige Sieger – der Norweger Jakob Vaage – sprang 76 Meter weit. Derzeit liegt der Schanzenrekord bei 143,5 m (fast doppelt so weit!) – erreicht vom Schweizer Simon Ammann im Jahr 2010. Ein Beleg, wie ausgereift die Athletik, Sprungtechnik und vor allem das Material der Springer inzwischen sind.
Unvergessen aus deutscher Sicht sind die Erfolge eines Jens Weißflog in den 80er und 90er Jahren, der mit 4 Gesamtsiegen (bei 10 Einzelsiegen) noch immer erfolgreichster deutscher Springer aller Zeiten ist. Nur der Finne Janne Ahonen kann einen Gesamtsieg mehr für sich verbuchen. Martin Schmitt und Sven Hannawald sorgten Ende der 90er Jahre für einen neuen deutschen Boom des Skispringens. Es war zu dieser Zeit eine der populärsten Sportarten in Deutschland mit bis zu 15 Millionen Zuschauern vor den Fernsehgeräten in der Spitze. Mittlerweile pendeln sich die Zahlen bei etwas über 5 Millionen ein. Noch bildhaft vor Augen ist Hannawald’s Triumph aus dem Jahr 2001/02, bei dem zum ersten Mal in der Geschichte des Wettbewerbs der spätere Sieger auch alle Einzelspringen für sich entscheiden konnte. Dieses Kunststück wiederholten Kamil Stoch (Polen) und Ryoyu Kobayashi (Japan) in den vergangenen beiden Jahren! Letzterer ist auch beim gestrigen Auftaktspringen in Oberstdorf ganz oben auf dem Podest gelandet und der große Turnierfavorit. Die deutschen Hoffnungen ruhen in diesem Jahr vor allem auf Karl Geiger, der auf seiner Heimschanze gleich mit dem zweiten Platz vollauf zu überzeugen wusste. Die weiteren deutschen Springer sind: Markus Eisenbichler, Pius Paschke, Stephan Leyhe, Constantin Schmid, Luca Roth, Moritz Baer, Philipp Raimund und Martin Hamann.
Neben vielen politischen Hindernissen spielte in der Vergangenheit auch das Wetter oft eine entscheidende Rolle. Als es noch keine Maschinen für Kunstschnee gab, war im Falle einer milden Witterung der Schneetransport von den entlegensten Orten oft eine
nervenaufreibende Tätigkeit für die Organisatoren. Wegen
Schneemangels wurde beispielsweise die 2. Tournee 1953/54 kurz vor Beginn zunächst abgesagt, worüber die österreichische Mannschaft nicht in Kenntnis gesetzt wurde. Mit Eintreffen der Athleten setzte passenderweise heftiger Schneefall ein und der Wettbewerb konnte kurzerhand mithilfe der Unterstützung der Verbände und
Fluggesellschaften doch noch stattfinden. Nur 2 Jahre später gab es erneut eine akute Schneearmut. Während Oberstdorf,
Garmisch-Partenkirchen und Innsbruck die Kosten für die Schneezufuhr aus Alpenhochtälern aufbringen konnten, musste das Springen in Bischofshofen auf die Zinkenschanze in Hallein ausweichen. Die erste „richtige“ Absage ereilte die Teilnehmer bei der 56. Tournee 2007/08. Wegen eines heftigen Föhnsturms (Sturmböen um 80 km/h) musste das Springen in Innsbruck abgesagt werden. Es wurde dann am 05. Januar 2008 in Bischofshofen nachgeholt.
Apropos Wind: Dieser Parameter bereitet seit jeher große Probleme und sorgt stets für eine Lotterie, da er sich binnen kürzester Zeit und auf kleinstem Raum sehr schnell ändern kann. Bei Aufwinden wird der Springer weiter getragen und erfährt einen Auftrieb. Kommt der Springer dabei zu nahe an die Auslaufzone heran, wird in der Regel der Anlauf verkürzt, um nicht die Gesundheit der Sportler zu gefährden. Rückenwind bewirkt das Gegenteil und der Springer wird zu Boden gedrückt. Seitenwind und große Böigkeit sind am gefährlichsten, da die Athleten unter diesen Bedingungen während des Fluges nur schwerlich die Balance halten können. Daher sind die Schanzen ähnlich wie die Landebahnen an den Flughäfen von vornherein schon auf die üblicherweise vorherrschenden Windrichtungen vor Ort ausgerichtet. Um der windbedingten Chancenungleichheit gerechter zu begegnen, wurde seit der Sommersaison 2009 erstmals der sogenannte Wind-Faktor für die Ermittlung der Punktzahl eines Sprungs eingeführt. Die
Windverhältnisse werden an fünf verschiedenen Punkten an der Schanze gemessen und daraus ein Mittelwert gebildet, der unmittelbar für den Flug relevant ist. Dieser wird in Relation zur Gesamtlänge der Schanze gesetzt und letztlich zu Sprungweite und Haltungsnoten addiert. So erhält der Springer bei Rückenwind Bonus-Punkte und bei Aufwind Punktabzug.
Kommen wir zum Abschluss noch zu den Wetterbedingungen für die verbleibenden drei Springen der diesjährigen Tournee. Die
Schneesituation könnte sicherlich besser sein. In der Regel sind die Pisten und Schanzen in den Tälern mit Altschnee oder Kunstschnee präpariert. Nach dem sonnigen Auftakt am gestrigen Sonntag (29.12.) verspricht auch das Neujahrsspringen sehr sonnig zu werden – Hoch Wiltrud, das von Hoch Xia nahtlos abgelöst wird, sei Dank. Bei Temperaturen um 8 Grad sieht man den ein oder anderen Fan auf der Tribüne vielleicht sogar im lockeren Pulli. Da die Luft sehr trocken ist (tiefe Taupunkte), sollte der Schnee nicht allzu „sulzig“ werden, aber gleichwohl schwinden. Für das Bergiselspringen in Innsbruck sind die Aussichten schon etwas wechselhafter. Während der
Qualifikationstag am Freitag (03. Januar) noch mit einigen harmlosen Wolkenfeldern trocken und ähnlich mild wie in Garmisch über die Bühne geht, könnte es am Samstag (04. Januar) aus dichten Wolken schon mal etwas Regen oder Schneeregen geben. Der Trend für Bischofshofen – immerhin noch eine Woche im Voraus – lässt noch etwas Spielraum. Mit nur wenig über 0 Grad wird es wohl mit ziemlicher Sicherheit der kühlste Austragungsort auf der diesjährigen Tournee sein. Eventuell rieseln sogar ein paar Flocken, wetterbedingte Einschränkungen für den Ablauf des Wettbewerbs sind aber eher nicht zu erwarten.
Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.12.2019
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