Thema des Tages

Ein Waschbrett auf dem Satellitenbild

Am Vormittag des vergangenen Samstags konnte man auf dem
Satellitenbild waschbrettartige Wolken bewundern – sogenannte Leewellen. Wie diese entstehen wird heute erläutert.

Beim Wort Waschbrett denken ältere Hausfrauen noch an die
Kleidungswäsche aus der guten (oder doch eher beschwerlichen?) alten Zeit und Testosteron-affine Männer an das nächste Krafttraining in der Muckibude. Wolken kommen dabei wohl bei den Wenigsten in den Sinn. Beim Blick aufs Satellitenbild konnte man aber am vergangenen Samstag für mehrere Stunden waschbrettartige Wolkenstrukturen entdecken (siehe Animation).

Diese Wolkenmuster entstehen durch eine spezielle Form der
Schwerewellen. Schwerewellen gibt es nicht nur in der Luft, sondern z.B. auch im Wasser. Stellen wir uns daher der Einfachheit halber zunächst ein Hindernis in einem fließenden Gewässer vor. Je nach Fließgeschwindigkeit sowie der Form und Größe des Hindernisses kann es entweder an seinen beiden Enden vom Wasser umströmt oder überströmt werden. Ist das Hindernis relativ schmal oder die Fließgeschwindigkeit gering, überwiegt das Umströmen des
Hindernisses. Je höher die Fließgeschwindigkeit oder je breiter das Hindernis, desto wahrscheinlicher wird es, dass ein Teil des Wassers das Hindernis überströmt. Während das fließende Wasser vor dem Hindernis eine mehr oder weniger glatte Oberfläche besitzt, beobachtet man hinter dem überströmten Hindernis eine wellenförmige Wasseroberfläche.

Ähnlich verhält sich auch die Luft, wenn sie sich auf ein ausreichend großes Hindernis zubewegt. Während ein einzelner Berg häufig noch von der Luft umströmt werden kann, wird ein Überströmen bei einer senkrecht zur Windrichtung ausgerichteten Gebirgskette mit
zunehmender Windgeschwindigkeit immer wahrscheinlicher. Beim Überströmen entstehen (wie im Wasser) auf der Leeseite wellenartige Luftbewegungen, weshalb man diese Strömung auch als „Leewellen“ bezeichnet.

Eine weitere Voraussetzung für Leewellen ist eine stabile
Atmosphärenschichtung. Um dies zu verstehen, stelle man sich ein Luftpaket vor, das sich mit dem Wind auf die Bergkette zubewegt. Wird nun das Gebirge überströmt, so wird das Luftpaket vertikal nach oben aus seinem Gleichgewichtszustand abgelenkt (siehe Skizze). Bei einer instabilen (labilen) Schichtung würde das nach oben ausgelenkte Luftpaket eine beschleunigte Vertikalbewegung erfahren und in immer größere Höhen aufsteigen. Dies ist einer der Gründe, warum sich oft über den Mittelgebirgen die ersten Gewitterzellen ausbilden. Bei einer stabilen Schichtung hingegen ist die Schwerkraft dominant und sorgt dafür, dass sich das nach oben ausgelenkte Luftpaket wieder nach unten bewegt, daher die Bezeichnung „Schwerewelle“. So entsteht eine schwingende Bewegung um den Gleichgewichtszustand, ähnlich einer Feder, die man nach oben zieht und anschließend loslässt. Auf diese Weise bildet sich auf der Leeseite eine Art „stehende Welle“ aus.

Der in der Atmosphäre enthaltene Wasserdampf macht diese
Wellenbewegung in Form von Wolken sichtbar. Bei jeder
Aufstiegsbewegung kühlt die Luft ab und der Wasserdampf kondensiert zu Wolken. Umgekehrt erwärmt sich die Luft bei der Abwärtsbewegung wieder, das Wolkenwasser verdunstet und die Wolke löst sich wieder auf. So entstehen waschbrettartige Wolkenmuster. Dabei hängt die Wellenlänge (also der Abstand zwischen zwei Wolkenbändern) sowohl von der Windgeschwindigkeit als auch von der Stabilität der Atmosphäre ab. Je schwächer der Wind und je stabiler die Atmosphäre, desto kurzwelliger sind die Wellen (wie eine harte Feder, die schneller schwingt als eine weiche Feder).

Kommen wir nun zum vergangenen Samstag zurück. Es war eine
ausgeprägte westsüdwestliche Strömung vorherrschend und über Norddeutschland lag noch eine Warmfront mit dichten Wolkenfeldern, aus denen es etwas regnete. Weiter südlich schlossen sich die Leewolken an. Dabei stellten die Bergketten von Eifel, Bergischem Land, Teutoburger Wald und Nordhessischem Bergland ideal
ausgerichtete Hindernisse für die vorherrschende Strömung dar. In der Animation ist schön zu sehen, dass sich im Norden die Wolken mit dem Wind ostwärts bewegen, während die Leewellen an Ort und Stelle verbleiben („stehende Welle“). Noch weiter südlich war die Luft bereits so trocken, dass die Leewellen, die auch dort mit hoher Wahrscheinlichkeit auftraten, keine Wolken mehr ausbilden konnten.

Leewellen sind gar nicht so selten. Man muss auf Satellitenbildern meist nicht lange suchen, um wellenartige Wolken zu finden. Während sie vom Weltall aus gesehen für interessante Muster sorgen, sind sie vom Boden aus betrachtet oft eher unspektakulär. Auch am Samstag wunderte man sich allenfalls, warum man unter einer Leewolke über lange Zeit im Schatten stand, während beim Blick nach Westen und Osten dauerhaft blauer Himmel zu sehen war.

Dr. rer. nat. Markus Übel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.10.2019

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