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Thema des Tages
Genuatief und Mistral im Einklang
In der Wetterküche kommt der Orographie, also den Gebirgen, ein wesentlicher Anteil bei der Entwicklung von Wetterphänomen zu. Auch aus gegebenem Anlass soll in den folgenden Abschnitten besonders das Überströmen von orographischen Hindernissen in den Fokus rücken. Als Gebirgskette eignen sich dabei die Alpen, die sich zonal ausgerichtet von Frankreich über die Schweiz und Österreich ostwärts erstrecken. Strömt nun die Luft aus Norden gegen die Alpen, staut sie sich dort zunächst im Luv und wird schließlich gezwungen, das Hindernis zu überwinden. Dies geschieht dann entweder, indem die Luft über die Alpen hinweg strömt oder an den Seiten vorbeifließt. Im ersten Fall, also beim Überströmen, kann man südlich der Alpen, bevorzugt im Bereich von Genua, sehr häufig die Bildung eines neuen Tiefs (Lee-Tief) beobachten. Liegt dieses entwicklungsgünstig zur Höhenströmung, steht einer Intensivierung nichts im Wege.
Üblicherweise wird dann von einer sogenannten Genuazyklogenese gesprochen (eine Zyklogenese beschreibt die Entstehung und
Entwicklung von Tiefdruckgebieten, vgl. Wetterlexikon DWD, siehe Link 1).
Die Entwicklung von Lee-Tiefs basiert auf der theoretischen Grundlage der potentiellen Vorticity. Der Begriff Vorticity stammt vom lateinischen vortex für Wirbel ab, und heißt übersetzt so viel wie Wirbelgröße oder Wirbelhaftigkeit. Hoch- und Tiefdruckgebiete besitzen Vorticity, entweder gegen den oder im Uhrzeigersinn. Die potentielle Vorticity beschreibt nun einen Zusammenhang zwischen absoluter Vorticity (relative Vorticity durch Scherung (siehe Link 2) oder Krümmung und planetare Vorticity durch die Erdrotation) und statischer Stabilität (siehe Link 3). Da die potentielle Vorticity eine Erhaltungsgröße ist, muss sie immer gleich bleiben. Dies bedeutet, dass sich die absolute Vorticity und die statische Stabilität ausgleichen müssen. Überströmt nun die Luft ein Gebirge, so nimmt die statische Stabilität bis zum Gebirgskamm zunächst ab. Dies wiederum bedeutet, dass die absolute Vorticity und somit die auch die relative Vorticity (planetare Vorticity konstant) kleiner werden, was schließlich eine antizyklonale, also eine Drehung im Uhrzeigersinn, verursacht. Hinter dem Gebirgskamm nimmt die statische Stabilität wieder zu, sodass absolute und somit auch relative Vorticity größer werden, um schließlich eine zyklonale, also eine Drehung gegen den Uhrzeiger, hervorzurufen. Daraus resultiert dann schließlich unser Lee-Tief (siehe Abbildungen).
Entsprechend können bei einer südlichen Strömung gegen die Alpen gleichermaßen auch auf deutscher Seite im Alpenvorland kleine Lee-Tiefs entstehen.
In den folgenden Tagen wird genauso eine eine Genuazyklogenese in Gang gesetzt.
Aktuell wird auf deren Westflanke eines Tiefdruckkomplexes über Skandinavien polare Luft aus dem hohen Norden angezapft und weit nach Süden transportiert. Die Vorderseite der kalten Luft markiert dabei eine sogenannte Kaltfront, die Deutschland von Norden her südwärts überquert. Auf der Rückseite der Kaltfront dreht der Wind auf nordwestliche Richtung. Wenn die Kaltluft die Alpen erreicht und gegen diese prallt, muss sie sich einen Weg nach Süden suchen. Beim Überströmen entsteht dann ein kleines Tief auf der Alpensüdseite, das sich durch günstige Bedingungen in höheren Luftschichten ordentlich entwickelt. Auf der Ostseite des neu entstandenen Tiefs wird dabei warme und feuchte Luft nordwärts geführt, die schließlich auf die kalte polare Luftmasse trifft. Im Stau des gesamten Alpenraum setzen länger anhaltende Niederschläge ein. Während nördlich des
Alpenhauptkamms die Niederschlagsmengen bis Montag überwiegend zwischen 30 und 80 Liter pro Quadratmeter liegen, können auf der Alpensüdseite durchaus Mengen bis 120 Liter pro Quadratmeter zusammenkommen.
Auf der Westflanke des sogenannten Genuatiefs werden ebenfalls interessante Wetterphänomene in Kraft gesetzt. Dort wird die Kaltluft an den Alpen vorbei nach Süden bis in den westlichen Mittelmeerraum transportiert. Das Umströmen der Alpen führt dabei zu einem markanten Mistral (provenzal.-frz. für meisterlicher, hervorragender Wind), einem kalten Fallwind, der am Samstag mit Windstärke 9 bis 11 (80 bis 115 km/h) durch das Rhonetal zum Mittelmeer fegen soll. Die typische Mistral-Wetterlage wird geprägt von hohem Luftdruck über der Biskaya bzw. den Britischen Inseln und einem Tiefdruckgebiet über Norditalien und steht wie im aktuellen Fall häufig mit Kaltlufteinbrüchen aus Norden in Verbindung. Durch die Kanalisierung durch das Rhonetal (Düseneffekt) entstehen die üblichen hohen Windgeschwindigkeiten von 50 bis 80 km/h, in Spitzen aber auch über 135 km/h.
Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 03.05.2019
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