Thema des Tages

Lawinenunfälle: Meist vermeidbar!

Die derzeitig angespannte Lawinensituation in den Alpen (siehe auch vorgestriges Thema des Tages) hat bereits erste Opfer gefordert und auch in den nächsten Tagen ist keine Entspannung der Lage in Sicht.

Besonders gefährdet sind alle Wintersportler, die sich abseits der Pisten bewegen. Vor einigen Jahren war Skitourengehen noch das Metier einiger weniger Bergfreaks – aber immer mehr Menschen zieht es, auf der Suche nach Natur, Abenteuer und Einsamkeit, weg von präparierten Skipisten hin zu weißer unberührter Schneelandschaft. Doch die Berge statt in einer beheizten Gondel mit Tourenskiern oder Schneeschuhen zu erklimmen braucht nicht nur Kraft und Ausdauer, sondern auch Wissen über lokale Geografie und Lawinengefahr.

Unerlässlich bei einer Tourenplanung ist der jeweilige
Lawinenlagebericht (für die deutschen Alpen ausgegeben vom
Lawinenwarndienst Bayern), in dem es Informationen zur
Lawinenwarnstufe und zu Gefahrenstellen gibt.
Ein zusätzliches hilfreiches Instrument ist in diesem Zusammenhang die „SnowCard“ des Deutschen Alpenvereins DAV (siehe beigefügtes Bild). Sie ist ein sogenanntes probablisitisches
Entscheidungswerkzeug, da sie auf statistischen Auswertungen von Unfällen basiert und Wahrscheinlichkeiten für eine Lawinenauslösung angibt. Die „SnowCard“ ermöglicht anhand der Kombination dreier Hauptkriterien (Gefahrenstufe, Steilheit, Exposition) eine
Risikobewertung des Geländes. Die drei Fragen zum Risikocheck lauten dabei:

1) Wie hoch ist die Gefahrenstufe? (Diese ist im lokalen
Lawinenlagebericht zu finden)
2) Wie steil ist die steilste Stelle im Hang, bzw. im Einzugsbereich? (Der Einzugsbereich ist umso größer, je höher die Gefahrenstufe) 3) Ist die Hangexposition/-form günstig oder ungünstig? (Der Lawinenlagebericht nennt besonders lawinengefährdete Bereiche wie zum Beispiel „Triebschnee an allen Schattenhängen oberhalb 2200 Meter“. Für diese Zonen wird die Diagramm-Seite mit der Überschrift „ungünstig“ verwendet.

Die Kombination der drei Antworten ergibt nun einen Punkt auf der „SnowCard“, der durch eine Farbe gekennzeichnet ist. „Grün“ bedeutet dabei geringes Risiko (keine Verhaltensmaßnahmen empfohlen), „gelb“ bedeutet mittleres Risiko (Sicherheitsmaßnahmen empfohlen), „orange“ und „rot“ stehen für hohes Risiko (Verzicht empfohlen).

In einer kürzlich veröffentlichten Studie untersuchte der DAV die Frage, ob vergangene Lawinenunfälle mit Todesfolge (untersucht wurden 185 Fälle) vermeidbar gewesen wären. D.h. Wurde am Tag des Unfalls der entsprechende Geländeabschnitt von der „SnowCard“ als „orange“ oder „rot“ gekennzeichnet, also zum Verzicht empfohlen? Die Ergebnisse sind eindeutig: 84% aller Todesfälle wären durch Anwendung der „SnowCard“ vermeidbar gewesen. Außerdem lagen 95% aller Todesfälle in Geländebereichen, die der Lawinenlagebericht als potentiell gefährlich genannt hatte.

Auch wenn diese Ergebnisse die Wichtigkeit der „SnowCard“
unterstreichen, ist es laut DAV doch kein „Allheilmittel“. Viel zu komplex ist das Zusammenspiel mehrerer Faktoren, was eine exakte Vorhersage von Lawinen und Schneebrettern (ähnlich wie beim Wetter) unmöglich macht…

Anmerkung: Zwischen dem Lawinenwarndienst Bayern und dem Deutschen Wetterdienst besteht eine enge Zusammenarbeit. Der Wetterbericht für den Deutschen Alpenraum auf der Homepage des Lawinenwarndienst Bayern wird von den Meteorologen der Regionalen Wetterberatung München verfasst, ebenso sind Lawinen-Lagebericht und Gefahrenstufe auf der Website und in der WarnWetter-App des Deutschen Wetterdienstes einsehbar.

Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 08.01.2019

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