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Thema des Tages
Was die Atemluft über unsere Emotionen verrät
Bei einem Kinobesuch merken wir häufig, dass die meisten Zuschauer ähnlich auf Filmszenen reagieren wie man selbst: „Ohs“ und „Ahs“ raunen bei spannenden Szenen durch die Menge, in lustigen Momenten erklingt Gelächter. Doch man kann einen Film oder sogar einzelne Filmszenen auch identifizieren, wenn man gar nicht mit im Saal sitzt. Zu diesem Ergebnis kamen Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts (MPI) für Chemie in Mainz, die während verschiedener Filmvorführungen die Luft in Kinosälen analysierten.
Bei ihrem Projekt brachten sie am Belüftungssystem eines Kinosaals einen Schlauch an, über den die Abluft in ein sogenanntes
„Massenspektrometer“ geleitet wurde. Dieses Gerät analysierte im 30-Sekunden-Takt die Zusammensetzung der Atemluft während zahlreicher Filmvorführungen. (Funktionsweise Massenspektrometer: Chemische Moleküle werden zunächst ionisiert und in einem elektrischen Feld beschleunigt. Anhand der Verteilung von Ladung zu Masse bestimmt ein Analysator anschließend, um welche Moleküle es sich handelt. Details siehe Link unten.) Anhand der Substanzmuster ermittelten die Forscher, wie die Zuschauer Szene für Szene reagierten. Vor allem spannende und lustige Szenen hinterließen eine eindeutige Signatur in der Luft, Emotionen sind also in der Atemluft messbar!
Wenn beispielsweise in „Tribute von Panem“ die Heldin um ihr Leben kämpfte, stiegen die Werte für Kohlendioxid und Isopren in der Abluft deutlich an – und das bei allen Filmvorführungen mit wechselnden Zuschauern. Ähnliches konnten die Forscher auch im Mainz 05-Stadion messen, wenn die Zuschauer besonders mitfieberten. Isopren ist eine von über 800 chemischen Verbindungen, die Menschen neben Kohlendioxid typischerweise in winzigen Mengen ausatmen. Isopren wird beim Stoffwechsel gebildet und in den Muskeln eingelagert. Bei aufregenden Film- (oder Fußball)szenen spannen wir uns an, atmen schneller und geben die Moleküle über die Atemluft und auch über die Haut ab. Die Isopren-Konzentration in der Luft könnte in Zukunft also auch ein Indikator für Altersfreigaben von Filmen werden: Je mehr Isopren, desto höher muss die Alterseinstufung sein.
Auf die Idee, auf Emotionsfang im Stadion und Kino zu gehen, kam Atmosphärenwissenschaftler Jonathan Williams, Gruppenleiter am MPI, mehr oder weniger (wie so oft in der Wissenschaft) durch Zufall: Eigentlich misst er flüchtige organische Verbindungen (engl: Volatile Organic Compounds VOCs), die Pflanzen in die Atmosphäre abgeben. Diese sind an der Bildung von bodennahem Ozon und Feinstaub beteiligt. Als während einer Messkampagne im Amazonaswald, bei der auf einem 325 Meter hohen Turm ebendiese VOCs gemessen wurden, Williams‘ Doktoranden zum Spaß in den Messeinlass pusteten, schnellten die Marker für einzelne Verbindungen sofort in die Höhe. In den Baumwipfeln des Regenwaldes kam Williams also die Idee, sich nicht nur mit den pflanzlichen, sondern auch mit den anthropogenen VOCs zu beschäftigen. Könnte denn nicht auch ein Großteil der weltweiten VOCs menschengemacht sein?
Auch wenn er mittlerweile weiß, dass Pflanzen und nicht Menschen die weltweit größten VOC-Verursacher sind, forscht Jonathan Williams weiter an der Atemluft. Eine offene Frage ist z.B.: Nehmen wir die Emotionen unseres Gegenübers aus der Luft unterbewusst wahr? Können wir uns deshalb manchmal sprichwörtlich nicht oder besonders gut riechen? Wir dürfen auf weitere Forschungsergebnisse gespannt sein…
Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 13.12.2018
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