Thema des Tages


Wissenschaft kompakt

Wetterextreme im (Klima-)Wandel - Attributionsforschung (Teil 1)



"Ist das schon der Klimawandel?" Jeder Meteorologe kennt diese Frage
zu Genüge. Im heutigen Thema des Tages zeigen wir, dass in Bezug auf
Wetterextreme eine Antwort auf diese Frage eine große Herausforderung
für die Klimaforschung darstellt.



2021: Flutkatastrophe im Ahrtal; 2022: Dürre und Hitze bis 40 Grad in
Deutschland; 2024: mehrfach Rekordniederschläge, zuerst im Saarland
und der Pfalz (Mai), gefolgt von Süddeutschland (Juni) und gegipfelt
im östlichen Mitteleuropa (September). "Ist das schon der
Klimawandel?" oder "Ist das eine Folge der Erderwärmung?" Diese oder
ähnliche Fragen brennen vielen unter den Fingernägeln. So sicher wie
das Amen in der Kirche werden wir Meteorologen bei jedem Extremwetter
- seien es unerträgliche Hitze, langanhaltende Dürreperioden, Stürme
oder Starkregen - immer aufs Neue gefragt, ob diese Extreme bei uns
oder anderswo auf der Welt bereits Auswirkungen des Klimawandels
sind. Freunde und Verwandte interessieren sich hierfür genauso wie
Journalisten oder Politiker.

Nicht selten haben sich die Fragenden vorher schon ihre eigene
Meinung dazu gebildet. Klimaskeptiker bringen als Argumente gegen den
Klimawandel gerne an, dass es solche extremen Wetterereignisse schon
immer gegeben habe und dass man ohnehin von einem einzelnen
Wetterereignis nicht auf das Klima oder eine Veränderung dessen
schließen könne - womit sie nicht ganz unrecht haben.
Klimaaktivisten, aber auch einige Politiker halten dagegen, dass
diese Wetterextreme bereits eindeutige Zeichen des Klimawandels seien
und nehmen diese als Mahnmale, wie dringend wir etwas gegen die
fortschreitende Erderwärmung unternehmen müssen. Auch die zweite
Gruppe hat mit ihrer Einschätzung nicht ganz unrecht. Wie kann das
sein? Es können doch nicht beide derart gegensätzlichen Ansichten
irgendwie richtig sein!

Zunächst einmal muss man wissen, dass es sich bei Wetter und Klima um
zwei komplett unterschiedliche Zeiträume handelt, die man so nicht
direkt miteinander vergleichen kann. Wetter ist das, was wir Menschen
aktuell spüren können wie die wärmende Sonnenstrahlung oder nasse
Regentropfen auf der Haut, Wind der uns um die Ohren pfeift oder ob
wir frieren oder schwitzen. Wetter ist also hochgradig variabel und
verändert sich von Tag zu Tag und manchmal sogar von Minute zu
Minute. Beim Klima handelt es sich hingegen um den gemittelten
Zustand der Atmosphäre über einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren.
Um also feststellen zu können, ob sich das Klima global oder in einer
bestimmten Region verändert, kann man verschiedene
30-Jahres-Zeiträume miteinander vergleichen. Bei der mittleren
Temperatur zeigt sich beispielsweise ein klarer Trend hin zu höheren
Werten.

Bei Wetterextremen wie Hitzewellen, Dürren oder Starkregen wird die
Sache deutlich komplizierter. Gerade weil das Wetter so veränderlich
ist, gab es schon immer extreme Wetterereignisse und sie wird es auch
in Zukunft weiterhin geben. Daher haben Klimaskeptiker pauschal
gesehen zwar recht, dass man ein EINZELNES Extremereignis nicht so
leicht auf den Klimawandel schieben kann. Allerdings darf man es sich
so einfach nicht machen. Es könnte ja sein, dass bei einer
vergleichbaren Wetterlage in der vorindustriellen Zeit das Wetter
weniger extrem verlaufen wäre oder dass im Zuge der Klimaveränderung
bestimmte Wetterextreme häufiger auftreten. Oder anders ausgedrückt:
Was früher extrem war, könnte in Zukunft möglicherweise zur
Normalität werden.

Um herauszufinden, ob oder inwieweit die fortschreitende Erderwärmung
die Häufigkeit und Eigenschaften extremer Wetterereignisse bereits
verändert hat, reicht eine Auswertung der bisherigen weltweiten
Wetteraufzeichnungen leider nicht aus. Wetterextreme sind nämlich per
Definition selten und je extremer sie sind, desto seltener werden
sie. Für ein Wetterereignis, das statistisch gesehen an einem
bestimmten Ort nur alle 100 Jahre oder sogar noch seltener auftritt,
reichen die Messzeitreihen nicht lange genug in die Vergangenheit
zurück, um belastbare statistische Aussagen über den Zusammenhang
zwischen Wetterextremen und Klimaveränderung treffen zu können. Dabei
kommt noch erschwerend hinzu, dass das Klima neben den vom Menschen
verursachten Veränderungen auch natürlichen Schwankungen unterliegt,
was eindeutige Aussagen über die Veränderung von Extremereignissen
schwierig macht.

Sie merken also, mit Beobachtungen alleine kommen wir bei der
Beantwortung unserer eingangs gestellten Fragen nicht weiter. Eine
geeignete Lösung bietet hingegen die sogenannte
"Attributionsforschung". Sie beruht auf einer
Ursache-Wirkungs-Beziehung. Im Bereich der Klimaforschung versucht
man mithilfe von aufwändigen Klimamodellsimulationen abzuschätzen,
inwieweit anthropogene (also vom Menschen verursachte)
Klimaveränderungen das Auftreten, die Häufigkeit und Intensität von
meteorologischen und klimatologischen Extremereignissen beeinflussen
und mit fortschreitender Erderwärmung weiter verändern.

Wie man bei solchen Attributionsstudien vorgeht, erklären wir im
nächsten Teil dieser Reihe. Zuletzt stellen wir einige Ergebnisse von
Studien vor. Damit zeigen wir, dass dieser Forschungsbereich
zumindest teilweise die Frage beantworten kann, ob ein bestimmtes
Extremwetter in gewissem Maße eine Folge des vom Menschen
verursachten Klimawandels ist.


Dr. rer. nat. Markus Übel

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 25.10.2024

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