Thema des Tages

Schlechtere Wettervorhersagen durch weniger Flugverkehr?

Derzeit sind durch die Coronakrise deutlich weniger Flugzeuge in der 
Luft, die normalerweise wichtige Daten für die 
Wettervorhersagemodelle sammeln. Wie stark wirkt sich das auf die 
Prognose aus?


Damit Wettermodelle Vorhersagen für die kommenden Tage berechnen 
können, müssen sie erst einmal den "Ist-Zustand" der Atmosphäre 
möglichst genau kennen, d.h. das aktuelle Wetter an möglichst vielen 
Orten in möglichst vielen unterschiedlichen Höhen erfassen. Dabei 
gilt: Je mehr Infos bekannt sind, desto besser kann die Vorhersage 
werden. Diese Infos über den aktuellen Zustand kommen dabei nicht nur
von Wetterstationen, von Schiffen und Bojen, von Wetterballons, 
Wetterradaren und Satelliten - sondern auch von Flugzeugen. 

Das globale DWD-Wettermodell "ICON" zum Beispiel wird normalerweise 
jeden Tag mit rund 5,3 Millionen Messwerten gefüttert. Diese stammen 
zwar zu mehr als 80% von Satelliten, aber immerhin auch zu etwa 10% 
von Flugzeugen (die restlichen 10% liefern Bodenstationen, 
Wetterballons, etc.).

Aufgrund der aktuellen Situation haben Flugzeuge ihr Dasein in den 
letzten Wochen/Monaten zwangsweise fast komplett von der Luft auf den
Boden verlagern müssen, bei Lufthansa z.B. wurden 95% aller 
Linienflüge gestrichen. Damit gingen seit Anfang März auch die 
meteorologischen Flugzeugbeobachtungen drastisch zurück; in Europa 
beispielsweise um etwa 80%. 

Beim hochaufgelösten "COSMO-D2" Modell des DWD fallen die fehlenden 
Flugzeugdaten besonders stark ins Gewicht. Dieses weitere, regionale 
Wettermodell des DWD umfasst nicht die ganze Weltkugel wie das ICON, 
sondern nur Deutschland und seine Nachbarländer; liefert mit 2,2 km 
Auflösung (anstelle von 13 km) aber dafür auch deutlich genauere 
Vorhersagen, z.B. von Gewittern. Während in die Berechnungen des 
COSMO-D2 am 1. Februar noch mehr als 40.000 Flugzeugmesswerte 
eingingen, waren es am 1. April nur noch gut 5000. Besonders markant 
ist der Rückgang der Feuchtedaten, die an Bord von neun A321 
Lufthansa-Maschinen gesammelt werden (siehe beigefügte Grafik).

Doch wie groß sind die Auswirkungen dieser fehlenden Flugzeugdaten? 
Das Europäische Zentrum für Mittelfristige Vorhersage hat dies mit 
Messwerten des Jahres 2019 simuliert. Das Ergebnis: Ein 
Qualitätsrückgang der Prognose ist vor allem in Höhe des polaren 
Jetstreams (10-12 km Höhe) merklich, dort kommt es zu Fehlern von 
teils über 10%. Am Boden liegt die Abweichung, je nach 
Vorhersagemodell leicht verschieden bei etwa 4%.

Einen exorbitanten Einfluss haben die fehlenden Daten auf die 
Wettervorhersage also nicht, wobei die Auswirkungen bei einer ruhigen
Hochdruckwetterlage nochmals geringer sind als bei Tiefdruckeinfluss 
(evtl. lässt sich ein näherndes Tief erst einen Tag später erkennen 
als sonst oder seine Zugbahn etwas ungenauer vorhersagen).

Um den Einfluss der fehlenden Flugzeugdaten etwas zu mindern, werden 
nun zusätzliche Radiosonden (Wetterballons) in die Höhe gelassen, die
zusätzliche Messwerte liefern. Außerdem nutzt der Deutsche 
Wetterdienst (DWD) ab sofort die Winddaten des europäischen 
Forschungssatelliten "Aeolus". Allerdings sind die Messfehler bei 
Windmessungen durch Satelliten höher (2-2,5 m/s), als wenn sie durch 
Flugzeuge (ca. 1 m/s) erfolgen.
Übrigens: Das Programm "Aircraft Meteorological Data Relay" (AMDAR), 
in dessen Rahmen (Verkehrs-)Flugzeuge meteorologische Messdaten 
sammeln, existiert schon seit 1991. Es wird durch den Dachverband der
europäischen Wetterdienste EUMETNET organisiert. Täglich werden 
(normalerweise) mehr als 40.000 meteorologische Flugzeug-Meldungen 
von verschiedenen europäischen Fluggesellschaften in einem 
automatischen Verfahren übermittelt. Jede Meldung enthält neben den 
Zeit- und Ortsdaten auch Meldungen zur Lufttemperatur, 
Windgeschwindigkeit, Windrichtung und vereinzelt Luftfeuchte. Diese 
meteorologischen Daten werden selektiv während des Steig-, Reise-(10 
bis 15km) oder Sinkfluges von Verkehrsflugzeugen gewonnen. Größter 
Messdatenlieferant für den DWD ist die Lufthansa innerhalb Europas.
Die durchschnittliche Zeitdauer von der Erfassung der Messdaten im 
Flugzeug bis zum Empfang der Meldung in der Datenbank des DWD beträgt
unter 15 Minuten.

Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 24.05.2020

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