S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 15.02.2020 um 10.30 UTC

Wz, zeitweise auch NWz: Unbeständig, eher mild. Am Dienstag nach Norden zu noch
stürmisch. Zum nächsten Wochenende neue markante Sturmlage möglich!

Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 22.02.2020

Nachdem es vergangene Woche tatsächlich für einen Rekord des Indexes der
Arktischen Oszillation geben hatte (nie war der Wert höher, selbst zur
Orkanserie im Jahre 1990 nicht), deuten sich für den kommenden
Mittelfristzeitraum wieder ähnlich hohe Werte an, eventuell könnte es gleich den
nächsten Rekord geben. Da sich auch der quasi über dem geographischen Nordpol
zentrierte Polarwirbel sowohl dynamisch als auch thermisch vitaler denn je in
diesem Winter zeigt, deutet weiterhin alles auf eine aktive Westdrift hin. Die
für Mitteleuropa resultierende Großwetterlage „West“ kommt in einer eher
zyklonalen Ausprägung daher, was für uns unbeständiges, windiges bis
stürmisches, allerdings weiterhin eher mildes Wetter bedeutet. Erst zum Ende der
Mittelfrist, grob ab Wochenmitte, mehrten sich jüngst die Anzeichen für
phasenweise antizyklonaleres Wetter. Ob sich dieser Trend bestätigt, dazu später
mehr.

Zu Beginn der Mittefrist am Dienstag befindet sich Deutschland unter einer
westlichen Höhenströmung, in der sich zwei Kurzwellen analysieren lassen, die im
Tagesverlauf das Land rasch ostwärts überqueren. Dadurch wird die zunächst noch
am Alpenrand schleifende Kaltfront des steuernden Tiefs über der Barentssee
(hervorgegangen aus der sonntäglichen „Sturmwelle“) endgültig nach Südeuropa
verabschiedet. Ihr folgt schließlich maritime, vor allem nach Norden zu labile
Subpolarluft (T850 -1 bis -5 Grad, T500 im Norden -35 Grad), in der
staffelweise, eventuell als Bänder in Erscheinung tretende schauerartige Regen-,
im höheren Bergland auch Schneefälle von Nordwest nach Südost über das Land
ziehen. Vornehmlich in der Nordhälfte sowie im Bergland treten stürmische Böen
auf, an der See bei Schauern und etwaigen Graupelgewittern sind Sturmböen
möglich.

Am Mittwoch beginnt die Frontalzone, ausgehend von einer stärkeren Austrogung
über dem Atlantik, stärker zu oszillieren. Dabei wölbt sich stromab ein Rücken
auf, der zu den Britischen Inseln schwenkt. Der im Sinne des „downstream
development“ folgende Trog über Mitteleuropa schwenk bis zum Abend mit seiner
Achse über Deutschland hinweg. Mit dem Höhentrog korreliert auch ein gut
ausgeformter Bodentrog, dem nach Abzug des Höhentroges durch NVA und KLA ein
Hochkeil folgt. Summa Summarum steht ein weiter wechselhafter Wettertag ins
Haus, wobei die Niederschlagsaktivität vor allem im Süden im Vergleich zum
Vortag zunimmt. Dadurch, dass die Strömung mehr Nordkomponente bekommt, gelangt
etwas frischere Polarluft zu uns (T850 -3 bis -6 Grad), sodass die
Schneefallgrenze noch etwas auf mittlere Höhenlagen absinkt. Der Wind weht mit
Durchschwenken des Bodentroges in Böen nochmal stark, im Norden und auf den
Bergen auch stürmisch.

Am Donnerstag schwenkt der Rücken von den Britischen Inseln nach Deutschland.
Aus dem Hochkeil spaltet sich über Süddeutschland eine eigene Hochdruckzelle ab,
die mit ihrem Schwerpunkt aber ins östliche Mitteleuropa abzieht. Der
nachfolgende Höhentrog erreicht derweil die Britischen Inseln, das okkludierende
Frontensystem des korrespondierenden Sturmtiefs mit Kern südlich Island bleibt
bis zum Abend aber noch nordwestlich von uns. Der Tag steht demnach im Zeichen
einer Wetterberuhigung. In den Frühstunden besteht durch regionales Aufklaren
und Frost gebietsweise Glättegefahr. Tagsüber wird es dann aber recht mild,
sofern sich die unterhalt der Absinkinversion ausbildende Statusbewölkung
auflöst.

Am Freitag erreicht uns der Höhentrog und schwenkt unter Verkürzung seiner
Wellenlänge rasch über Deutschland hinweg. Die mit dem nun vollständig
okkludierten Frontensystem des zum Nordmeer ziehenden Tiefs in Verbindung
stehenden Regenfälle fallen wohl eher schwach aus. Etwas Neuschnee ist bei
vorübergehend ansteigenden T850 wohl nur im höheren Bergland ein Thema, genauso
wie vereinzelte stürmische Böen.

Am Wochenende zonalisiert die Strömung über dem Nordatlantik wieder. Es
verwundert dabei nicht, dass der Index der Arktischen Oszillation einen neuen
Höhenflug startet bei solch extremen Geopotenzial-Gegenspielern: negative
Anomalie von unter -50 gpdam über dem Nordmeerüber und positive Anomalie von ca.
+30 gpdam über Südwesteuropa. Im Gegensatz zu seinen gestrigen Vorgängern soll
die überaus gut ausgeprägte Frontalzone mit einem Jet-Streak von knapp 200
Knoten wieder genau gen Mitteleuropa gerichtet sein. Somit würde sich eine
weitere unbeständige und nasse Wetterphase (zyklonal Wesr bis Nordwest)
einstellen, die für Deutschland sehr hohes Sturmpotenzial in petto hat.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Über weite Strecken der Mittelfrist reiht sich die Simulation des jüngsten
IFS-Modelllaufes von 00Z nahtlos in die seiner Vorgänger ein. Es zeigen sich
sogar kaum Unterschiede in Ausprägung und Phase des Trog-Rücken-Musters.
Zum Ende der Mittelfrist bzw. in der erweiterten Mittelfrist ab etwa Freitag
divergieren die Berechnungen aber rasch und signifikant. Während der gestrige
IFS00Z-Lauf noch den Vorstoß eines Höhenrückens von Westen simulierte mit dem
Resultat einer „nördlichen“, damit zumindest nach Süden zu antizyklonalen
Westlage, wurde die Frontalzone in den beiden Nachfolge-Läufen sukzessive
südlicher gerechnet. Der neuste IFS-Lauf von heute Morgen kommt schließlich mit
einem Revival der durchweg zyklonalen Westlage daher, die für Deutschland erneut
sehr hohe Sturmgefahr birgt (s.o.).

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Bis Freitag zeigen sich keine nennenswerten Unterschiede zwischen den führenden
deterministischen Globalmodellen. Danach zeigen interessanterweise sowohl GFS
und ICON nun ebenfalls das schnelle Übergreifen der Frontalzone zum Wochenende
mit hoher Sturmgefahr. Bei ICON wölbt sich ausgehend von der Höhenantizyklone
über Südwesteuropa allerdings verstärk ein Rücken gen Grönland, wodurch die
Höhenströmung über Deutschland etwas mehr Nordkomponente bekommt. Dadurch würde
die Frontalzone schneller nach Süden „durchrutschen“ und wir in den Zustrom
kälterer Polarluft kommen.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Rauchfahnen von T850 und H500 verlaufen bis Donnerstag eng gebündelt und
bestätigen das durch den deterministischen IFS-Run skizzierte und oben
beschriebene Vorhersageszenario.
Ab Freitag weiten sich die Rauchfahnen von T850 und H500 rasch auf, was auf
starkes Oszillieren mit zunehmender Phasenverschiebung zurückzuführen ist. Die
Schwankungsbreite des IFS-EPS beträgt bei T850 landesweit rund 20 K (-9 bis +11
Grad), bei H500 60 gpdam! Dabei lassen sich nur mit Müh‘ und Not Fokuspunkte
ausmachen, im Norden eher im unteren Bereich der Verteilung für T850 und H500,
im Süden im oberen Bereich.
In den Meteogrammen ausgewählter deutscher Orte manifestieren sich die
Unwägbarkeiten der end-mittelfristigen Prognose in sehr großen Boxplots für
quasi alle gängigen meteorologischen Parameter. Es fällt dabei aber auf, dass es
ab Freitag sehr deutliche Niederschlagssignale mit teilweise extremen Spitzen
gibt und auch der Median(!) der Windböen jetzt schon recht verbreitet auf 15-20
m/s (Bft 7-8) ansteigt. Bemerkenswert ist derweil der selbst im 10% der
2m-Temperatur fast durchweg ausbleibende Nachtfrost.

Für die drei Clustering-Zeiträume der Mittelfrist (+72-96h, +120-168h,
+192-240h) fallen alle Cluster auf die Klasse „positiv NAO“.
Nennenswerte Unterschiede zeigen sich erst im Zeitraum +120-168h. Hier wird der
am Freitag übergreifende Trog was Timing und Ausprägung bereits etwas
differierend simuliert. Allerdings deuten alle Cluster hinten raus die
Zonalisierung über dem Nordatlantik an.
Im Zeitraum +192-240h setzt sich in allen Clustern die Zonalisierung bis Europa
fort, wobei die Lage der Frontalzone stark schwankt. C1 und C2 (38 Member,
inklusive Haupt- und Kontrollauf) ähneln sich sehr, in diesem befindet sich
Deutschland inmitten der Frontalzone. In C3 (13 Member) hält die
Höhenantizyklone über Südwest- und Südeuropa stärker dagegen, sodass die
Frontalzone deutlich nördlicher verläuft und Deutschland nur peripher erfasst.

FAZIT: Das leicht unbeständige, aber nicht sonderlich aufregende Wetter bis
Donnerstag ist in Sack und Tüten. Danach nehmen die Unsicherheiten sehr schnell
zu. Am Wochenende sind schließlich keine haltbaren Aussagen mehr über den
Wetterablauf möglich. Allerdings fällt durchaus auf, dass sowohl die
probabilistische als auch deterministische Modellwelt in den jüngsten
Simulationen die zyklonale West-/Nordwestlage zunehmend präferieren. Das
Potenzial für weitere, signifikante Niederschläge mit daraus folgender
Hochwassergefahr, insbesondere aber das Sturmpotenzial sind nicht von der Hand
zu weisen. Das letzte Wort ist zwar noch lange nicht gesprochen, aber alleine im
Sinne der „ominösen“ Erhaltungsneigung würde der Autor der zyklonalen Westlage
den Vorzug geben.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

STURM:
Am Dienstag zeigt der EFI für die Nordhälfte Sturmsignale (EFI>0.6). Passend
dazu liefern sowohl COSMO-LEPS als auch das IFS-EPS für die genannte Region hohe
Wahrscheinlichkeiten für Böen Bft 8, an der See und im Bergland auch für Böen
Bft 9. ICON-EU-EPS ist etwas verhaltener.
Die Probabilistik springt für die potenzielle Sturmlage am nächsten Wochenende
bereits an. IFS-EPS rechnet mit einem vorläufigen Höhepunkt am Sonntag. Demnach
wären Böen Bft 8-9 verbreitet wahrscheinlich. Für Böen Bft 10-11 sind derzeit
nur geringe Wahrscheinlichkeiten vorhanden.

SCHNEE:
Für den Mittwoch simuliert das COSMO-LEPS erhöhte Wahrscheinlichkeiten für
markante Neuschneemengen (>10 cm/12 h) am Alpenrand und in Staulagen der
süddeutschen Mittelgebirge, steht damit aber noch alleine da.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS00Z, IFS-EPS, IFS-MIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser