S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 06.12.2019 um 10.30 UTC

Zum Beginn Sturm und mild, ab Dienstag wechselhaft und nur geringfügig kälter.
Bergland und Küsten weiterhin Sturmböen. Alpenrand und inneralpin teils markante
Neuschneemengen. Nachts im Süden und Osten häufig leichter Frost und Glätte.

Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 13.12.2019

Die Mittelfrist soll wieder mit einem kurzen Blick auf die obere Troposphäre und
Stratosphäre beginnen. Regionen, denen zur Winterzeit eh das Hauptaugenmerk
gilt. Der stratosphärische Polarwirbel ist aktuell trotz einer geringen
Verschiebung in einem recht gesunden Zustand, was sich sowohl bei den
gemittelten Zonalwinden in 60 Grad Nord (10 hPa) rund um den klimat. Median als
auch bei der Temperaturverteilung in demselben Niveau widerspiegelt. In rund 150
hPa verschiebt sich das Zentrum des Wirbels die Mittelfrist über von der Karasee
zunächst Richtung Nordwesten, verbleibt aber südöstlich der Polarstern (Position
bei rund 86 N 122 O, 05 MEZ) und weitet sich in der Folge rasant in Richtung
nördliches Europäisches Nordmeer aus. Weiterhin findet keine direkte Kopplung
zwischen dem stratosphärischen und dem troposphärischen Wirbel statt mit einem
die Mittelfrist über kräftigen trop. Wirbel (allerdings mit nur geringen
positiven Anomaliewerten) und einem leicht geschwächten strat. Wirbel. Die Folge
dieser Entwicklung ist eine anhaltend negative Geopotentialanomalie über
Skandinavien, die sich im Verlauf der Mittelfrist mit einer weiteren negativen
Anomalie über Kanada verbindet. Kein Wunder, dass die NAO aktuell die höchsten
Werte seit dem Sommer aufweist und die Ensemblevorhersage auf absehbare Zeit
einen konstant hohen Wert andeutet. Daher stehen die Zeichen in Europa weiterhin
auf „stramme Westwindzone“. Bezüglich der Option eines Extremereignisses (z.B.
Orkantief) deutet sich der folgende „störende“ Faktor an: da sich über Russland
die Mittelfrist über der Aufbau einer blockierenden Omegalage einstellt, werden
die ostwärts wandernden Tröge über Ost/Südosteuropa abgeblockt und lassen das
Geopotential über Südosteuropa konstant auf einem niedrigen Niveau, was den
Gradienten über Mitteleuropa etwas entschärft. Auch die wiederholt auftretende
retrograde Entwicklung des Azorenkeils entschärft nicht nur den
Geopotentialgradienten, sondern ermöglicht den Trögen über Europa markant und
nachhaltig zu amplifizieren.
Dennoch sorgen sich peripher entlang des trop. Polarwirbels rasant entwickelnde
Zyklone besonders in Nordwest – und Nordeuropa für zeitweise erhöhtes
Sturmpotential.
Am Rande sei erwähnt, dass zum Ende der Mittelfrist eine markante Rossby-Welle
von Kanada nach Osten wandert und stromab über dem Nordatlantik für markanten
Geopotentialanstieg sorgt, was in der Folge mit einer Intensivierung und
Südverlagerung der Frontalzone bezüglich Sturmgefahr für Europa interessanter
werden könnte. Gleichzeitig sieht der Polarwirbel trotz einer deutlichen
stratosphärischen Erwärmung über Asien und dem Nordpazifik bis zum Ende der
Mittelfrist wieder kräftiger aus, was sich auch in einem erneuten Anstieg der
zonalen Windgeschwindigkeit andeutet.

Zum Beginn, am Montag, deutet sich eine Trogpassage an, die besonders tagsüber
auf der Vorderseite skalige Niederschläge hervorruft, wobei die Niederschläge
bei T850 Werten von leicht unter 0 Grad oberhalb von 800 m als Schnee fallen.
Mit der nächtlichen Kaltfrontpassage klingen die Niederschläge bei einer auf
rund 600 m absinkenden Schneefallgrenze von Westen zügig ab. Allerdings deuten
sich inneralpin kräftige Stauniederschläge an, die teils bis ins Alpenvorland
ausgreifen. Der Luftdruckgradient scheint besonders dank einer markanten
Keilaufwölbung stromauf über dem Nordostatlantik und dem sich nur zögernd von
der Deutschen Bucht nach Südschweden verlagernden Bodentief über Deutschland
immerhin so üppig auszufallen, dass im Tiefland Bft 7 bis 8, im Bergland
durchweg Bft 9, exponiert Bft 10 bis 11 zu erwarten sind.

Am Dienstag wandert der bereits angesprochene Keil nach Deutschland und sorgt
tagsüber für eine durchgreifende Wetterberuhigung mit zögernd nachlassenden
Stauniederschlägen am Alpenrand (oberhalb von 600 bis 800 m als Schnee). Der am
Vortag noch wetterbestimmende Trog zieht unter Abschwächung nach Südosteuropa
und scheint dort abtropfen zu wollen. Diese Ruhe ist jedoch nur von kurzer
Dauer, da sich ein vor der Südspitze Grönlands rasant verstärkendes
Tiefdruckgebiet zügig nach Osten verlagert und sich in der Nacht zum Mittwoch
als steuerndes Sturmtief über der Grönlandsee einnistet. Dabei wird die
teilokkludierte Kaltfront im Verlauf der Nacht zum Mittwoch über Nordwesteuropa
nach Benelux geführt. Die Folge ist in der Nacht eine Bewölkungsverdichtung von
Westen und erhöhte Wahrscheinlichkeiten für erste Niederschläge im Nordwesten.
Bei einer durchmischten Grenzschicht dank eines leicht böigen Südwestwindes
(über Land) deutet sich aus heutiger Sicht dabei keine Glatteisregenlage an.

Am Mittwoch und in der Nacht zum Donnerstag tendiert der aktuelle IFS-Lauf zu
einem stark nach Süden ausgreifenden Trog, wobei dieser als PV streamer in der
Nacht zum Donnerstag bis nach Nordalgerien reicht. Zusätzlich scheint sich durch
die Interaktion mit den Alpen und einem verschärften baroklinen Gradienten über
dem nördlichen Mittelmeer ein Leetief über Norditalien ausbilden zu wollen.
Tagsüber würde somit die Okklusion allmählich von West nach Ost über Deutschland
gedrückt werden, dabei im Süden jedoch ins Schleifen geraten und forciert durch
die Mittelmeerzyklogenese in der Nacht zum Donnerstag dort skalige Niederschläge
bringen, die bei T850 hPa Temperaturwerten um -1 Grad oberhalb von 600 m
zunehmend in Schnee übergehen.

Am Donnerstag findet über dem Nordatlantik eine markante Keilaufwölbung statt,
die Deutschland zu dem Zeitpunkt nur indirekt per „downstream development“
beeinflusst, denn es kann sich entlang der Ostflanke des Keils eine stark
mäandrierende Höhenströmung bzw. eine bis nach Algerien reichende Rossby-Welle
ausbilden, die Deutschland beeinflusst. Dabei soll ein Höhentrog mit
kurzwelligem Anteil von Schottland in Richtung Nordsee geführt werden, diese
liegt jedoch zum supergeostrophisch aufgeblähten 150 bis 180 kn Jet in 300 hPa
ungünstig und weist keine Vertiefungstendenzen auf. Die das Tief begleitende
Okklusion erfasst auch in der Nacht zum Freitag Deutschland noch nicht, sodass
der Tag und die Nacht abgesehen von einzelnen Schauern und nachlassenden
Stauniederschlägen am Alpenrand insgesamt ruhig verläuft.

Auch am Freitag ändert sich vorerst noch wenig, auch wenn der markante Keil bis
in die Nacht zum Samstag nach Frankreich vorankommt. Die bereits erwähnte
Okklusion wird nach Deutschland geführt und bringt besonders in der Nacht zum
Samstag deutschlandweit verbreitet Niederschläge.

Nach dem voraussichtlichen Sturmmaximum zum Beginn der Mittelfrist beschränken
sich Sturmböen auf die Küsten und die Berge. Exponiert sind weiterhin teils
schwere Sturmböen nicht ausgeschlossen. Im Tiefland frischt der meist aus West
bis Südwest wehende Wind nur zeitweise und regional böig auf.
Die Höchstwerte gehen von rund 10 Grad am Montag auf 3 bis 8 Grad an den
Folgetagen zurück, wobei es bei Dauerniederschlägen teils auch kälter bleibt.
Die Tiefstwerte deuten einen tendenziell frostfreien Nordwesten und Norden sowie
einen leicht frostigen Süden und Osten an mit einem variablen Übergangsbereich
über der Mitte. Mit Glätte ist somit besonders in den Frostgebieten und in den
angesprochenen Schneefallgebieten im Süden zu rechnen.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Mittelfrist über stellt sich in Mitteleuropa eine progressive
Westwindwetterlage mit zahlreichen Trog- und Keilpassagen ein. Bis in die Nacht
zum Mittwoch zeigen die letzten Läufe von IFS eine gute Übereinstimmung
bezüglich der Geopotentialverteilung.
In der Folge jedoch nehmen die Unsicherheiten zu, wie weit sich ein markanter
Trog zum Ende der Mittelfrist u.U. bis ins zentrale Mittelmeer ausweitet. Dies
wird in den letzten beiden IFS-Läufen mit einer potentiellen
Mittelmeertiefentwicklung und somit mit einer vorübergehenden Unterbrechung der
zonal ausgerichteten Westwindwetterlage angedeutet. Die Folge dieser Entwicklung
wären skalige Niederschläge im Süden und Osten von Deutschland, bevor zum
Wochenende erneut eine kräftige Frontalzone auf Mitteleuropa übergreift.
Alles in allem zeigen alle Läufe eine wechselhafte Mittelfrist mit nur kurzen
Unterbrechungen. Mit der Zufuhr milder atlantischer Luftmassen und sich nur
temporär durchsetzenden etwas kälteren Rückseitenlagen bleibt der
Flachlandwinter weiterhin in weiter Ferne (was jedoch nicht nächtlichen Frost
und Glätte sowie regionale Schneefälle im Süden bis in tiefe Lagen ausschließt).

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Auch beim Blick auf die weitern Globalmodelle zeigt sich ein sehr ähnliches Bild
mit rasch zunehmender Streuung, je weiter man über die Wochenmitte hinausblickt.
Zu dem Zeitpunkt ist unsicher, wie stark sich ein Trog nach Süden ausweitet, ob
er mit einer Mittelmeerzyklogenese einhergeht und wie viele kurzwelligere
Anteile den Haupttrog umrunden. Unter Trogeinfluss wechselhaft soll es nach
allen Modellen werden, doch Feinheiten wie mögliche Schneefälle im Süden in der
Nacht zum Donnerstag können bei der vorhandenen Unsicherheit noch nicht mit
großer Zuversicht beantwortet werden. Erst die markante Keilaufwölbung aus
Westen zum Ende der Mittelfrist wird wieder recht einheitlich von allen Modellen
mitgetragen.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Beim Blick auf die Cluster beginnt die Mittelfrist mit vier Clustern, wobei zwei
das klimatologische Regime „positive NAO“ und zwei „Atlantikrücken“ zeigen. Bei
allen Lösungen liegt Deutschland unter einem breiten Trog und deuten somit einen
wechselhaften Wetterabschnitt an. Die Lage und Intensität des Kerntiefs variiert
innerhalb der Cluster nur geringfügig.
In der Folge verbleibt die Anzahl der Cluster bei vier, wobei nun alle das
klimat. Regime „positive NAO“ hervorheben. Wie bereits in der Beschreibung der
Wetterentwicklung besprochen zeigen sich erhebliche Diskrepanzen beim Blick auf
die Geometrie des Höhentroges sowie bei der Entwicklung des Bodentiefs über
Norditalien. Abgesehen von Feinheiten kann jedoch der Mittelfrist auch beim
Blick auf die Cluster ein wechselhafter und normal bis mild temperierter
Charakter bescheinigt werden.

Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Blick auf die Meteogramme, wo ein stetiges
auf und ab der Niederschlagskurven bzw. der 850 und 500 hPa ENS plumes
deutschlandweit gezeigt wird. Das Windmaximum am Montag kommt besonders im
Südwesten deutlich raus und auch die zunehmenden Schneeoptionen im Süden (am
Alpenrand) werden mit großen Unsicherheiten gezeigt.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Sturmböen:
Der EFI zeigt am Montag und in der Nacht zum Dienstag abgesehen vom Nordosten
verbreitet erhöhte Werte mit den Spitzen im Südwesten. Dies steht etwas im
Gegensatz zum letzten det. Lauf, der dank der Platzierung des Bodentiefs und des
Gradienten über der Deutschen Bucht spätestens zum Abend dort ein größeres
Windmaximum andeuten würde. Allerdings schwankt die genaue Schärfe des
Gradienten von Lauf zu Lauf (zumal das Modellklima über der Deutschen Bucht
bereits höhere Werte zulässt und somit die Abweichung im EFI nicht so markant
herausgearbeitet werden kann). IFS-EPS zeigt im Südwesten tagsüber besonders im
etwas höheren Tiefland bereits verbreitet Böen Bft 8 bis 9 (Bft 9 mit rund 35 %)
und in der Nacht zum Dienstag über der Deutschen Bucht mit 20 bis 30 % Böen Bft


  1. In der Folge beschränken sich stürmische oder Sturmböen auf die Küsten
    (besonders Nordsee) und weiten sich mit geringen Wahrscheinlichkeiten temporär
    in den Nordwesten von Deutschland aus. Darin stimmen auch die weiteren Modelle
    und Ensembleverfahren überein.

Schnee:
Besonders in der Nacht zum Dienstag deuten sich am Alpenrand innerhalb der
Ensembles wie ICON-EU oder IFS-EPS selbst im Median markante Neuschneemengen an
mit Maxima im Unwetterbereich (jenseits von 30 mm / 24h). Die synoptische
Ausgangslage und die Konsistenz innerhalb der Ensembles lassen dieses
Schneefallereignis als wahrscheinlich erscheinen.
Auch in der Folge schneit es inneralpin und am Alpenrand zeitweise kräftig,
wenngleich die Signale innerhalb der Ensembles zunehmend verschwimmen bzw. der
EFI immer geringere Werte aufweist. Diese Unsicherheit hängt auch mit der
synoptischen Entwicklung (u.a. Mittelmeerzyklogenese) ab.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, MOS-MIX, IFS-EPS

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy