S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 05.12.2019 um 10.30 UTC

Zyklonale Westlage mit viel Wind, teils Sturm und wiederholt Niederschlag, meist
als Regen.

Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 12.12.2019

Schon ein flüchtiger Blick auf die 16er-Blätter von IFS (ECMF) – ja, es gibt
tatsächlich noch ein paar wenige Meteorologen, die sich Wetterkarten auf Papier
anschauen – genügt, um das zu bestätigen, was die Kollegen des Verfassers schon
in den letzten Tagen an gleicher Stelle kommuniziert haben: Westlage bis zum
Abwinken. Zwar verläuft die Frontalzone nicht glatt wie ein Kinderpopo, sondern
neigt durchaus zu einer mal mehr, mal weniger ausgeprägten Mäandrierung. Die
daraus resultierenden Tröge und Keile werden aber alle progressiv gerechnet, so
dass sich eine neuerliche Blockierung nicht abzeichnet.

Ins Detail, das sich zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am
kommenden Sonntag, dem 2. Advent wie folgt darstellt: Deutschland befindet sich
am warmen Rand der langgestreckten, leicht schwingenden Frontalzone, die von
Neufundland bis zum östlichen Mitteleuropa reicht, von wo aus sie nach Nordosten
abbiegt. Ein eingelagerter flacher Rücken wandert im Tagesverlauf zügig über den
Vorhersageraum ostwärts, ohne dabei nennenswerten Zwischenhocheinfluss zu
generieren. Im Gegenteil, er wird von WLA überlaufen, die das nächste, rasch
nach Osten vorstoßende okkludierende Frontensystem ankündigt. Es gehört zu einem
mehrkernigen Tiefkomplex über dem Ostatlantik, das das Seegebiet zwischen
Schottland und Island in Richtung Norwegen passiert. Mit lebhaftem, teils
stürmischem Südwestwind wird tagsüber milde Atlantikluft (T850 2 bis 7°C)
herangeführt, bevor wie in der Nacht zum Montag hinter der Kaltfront eine
Portion subpolarer und nicht wirklich kalter Meeresluft (T850 um oder etwas
unter 0°C) überspült werden. Mit der WLA breitet sich von Nordwesten her zügig
skaliger Regen südostwärts aus, bevor die Niederschläge ab den Abendstunden
konvektiven Charakter annehmen und in den Kammlagen der Mittelgebirge ein paar
Schneeschauer fallen können. Kurz zusammengefasst, man kann sich weitaus
behaglichere Rahmenbedingungen für einen potenziellen Weihnachtsmarktbesuch
vorstellen.

Die neue Woche startet dann mit der Passage eines Potenzialtroges, der ohne
nennenswerte Verschiebung mit einem thermischen Trog korreliert. Dabei gelangt
höhenkalte Luft (T500 um -30°C) zu uns, während niedertroposphärisch zunächst
noch die heizende Wirkung der vorgelagerten Seegebiete greift (0 bis -2°C).
Damit ist die Luftmasse ausreichend labil geschichtet, um mit Unterstützung
kurzwelliger Troganteile eine sehr rege Schaueraktivität anzuregen, die unter
dem Strich einige ordentliche Huschen zustande bringt. Kurze Gewitter sind dabei
ebenso möglich wie Graupelschauer, während Schnee wohl zunächst nur in den
Kammlagen der Mittelgebirge sowie in den Alpen oberhalb 1000 bis 1200 m fällt.
In der Nacht zum Montag könnte die Schneefallgrenze allerdings sinken, wenn die
maritime Polarluft einen direkteren Weg wählt und die 850-hPa-Temperatur auf -3
bis -7°C sinkt.
Im Fokus bleibt auch weiterhin der Wind. So erreicht der o.e. Tiefkomplex
Skandinavien, wo er ein klassisches Dipolmuster annimmt. Während der nördliche,
für uns weniger interessante Kern in Richtung Finnland abdriftet, wählt das
südliche Minimum den Weg über Nordjütland/Skagerrak in Richtung Osten. Der
zugehörige Bodentrog reicht weit nach Süden und soll tagsüber insbesondere den
südlichen Landesteilen Wind und evtl. auch Sturm bringen. Ab dem Abend könnte es
dann für die Nordsee und – abgeschwächt – das nord- und nordwestdeutsche
Binnenland interessant werden, wenn das rückseitige Sturmfeld übergreift. An und
auf der Nordsee könnte es zumindest kurzzeitig mal für schwere Sturmböen oder
sogar Orkanböen aus Nordwesten reichen.

Am Dienstag ist dann die nächste Rückenschulung dran, die etwas nachhaltiger
ausfällt als am Sonntag. So ist die Amplitude des Höhenkeils deutlich
ausgeprägter, was sich auch auf das Bodendruckfeld auswirkt, wo sich ein schöner
Keil von Südwesteuropa bis nach Skandinavien aufwölbt. Kurzum, Wind und
Niederschlag kommen vorübergehend zur Ruhe, wobei die Betonung auf
„vorübergehend“ liegt. Bereits in der Nacht zum Mittwoch gelangt der Nordwesten
auf die Vorderseite des nächsten Troges, der sich vom nahen Ostatlantik nähert.
Er steht in Verbindung mit einem veritablen Sturmtief, einem echten Klopfer mit
Gütesiegel nahe 960 hPa, der um Mitternacht knapp an der Südküste Islands
ostwärts vorbeizieht. Zuerst greift die zugehörige Warmfront mit etwas Regen
über, tagsüber dann die teilokkludierte Kaltfront mit etwas mehr Regen, der sich
von Nordwest nach Südost verlagert. Hinter der Front gelangt ein neuerlicher
Schwall erwärmter Meereskaltluft subpolaren Ursprungs nach Deutschland (T850 0
bis -4°C), in der sich mit gütiger Hilfe des o.e. Höhentrogs Schauer (teils mit
Graupel und kurzen Gewittern, Schnee nur ganz oben) entwickeln.

Am Donnerstag wandert der dann der nächste flache Rücken rasch über uns hinweg,
ohne das Wetter wirklich zu beruhigen (am ehesten im Süden etwas
Zwischenhocheinfluss). Im Zuge einer kräftigen Austrogung über dem nahen
Ostatlantik bzw. Westeuropa dreht die Strömung rück auf Süd-Südwest. Bis zum
dritten Adventswochenende tropft der Trog über Südwesteuropa ab, was
Mitteleuropa respektive Deutschland zunehmend in eine glatte und ziemlich
bewegte Zonalströmung bringt – Westlage halt!

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Der aktuelle Modelllauf von IFS (ECMF) von heute 00 UTC fügt sich sehr gut in
das Prognoseschema seiner jüngsten Vorgänger ein. Mit anderen Worten, an der
mittelfristigen Ausrichtung der Großwetterwetterlage bestehen rein aus
Konsistenzgründen keine Zweifel. Somit muss auch an der offiziellen
Wettervorhersage von gestern kaum getunt werden. Wenn, dann handelt es sich um
Kleinigkeiten, die den prognoseüblichen Timingunschärfen respektive kleineren
räumlichen Verschiebungen geschuldet sind. Auch beim Wind sind gewisse
Anpassungen denkbar, allerdings bedarf es erst der Sichtung anderer
Modelllösungen bzw. der statistischen Prognosen.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Grundsätzlich haben die anderen etablierten Globalmodelle (ICON, GFS, GEM, UKMO)
auch keine anderen Ideen parat. Allerdings ist jedes Modell so selbstbewusst,
eine eigene Meinung zum Detailablauf zu formulieren, die sich nicht immer ganz
deckt mit den anderen Lösungen. Ein Beispiel: Während IFS das Zwischenhoch am
Dienstag ziemlich kräftig simuliert und damit weiten Teilen Deutschlands einen
trockenen Tag bescheren würde, tendieren ICON und GFS zu einer raschen
Eintrübung von Westen her mit aufkommenden Regenfällen. Ohnehin ist GFS das
Modell, das einen starken Hang zur Zonalisierung hat mit einer schleifenden
Front, die Deutschland von Dienstag bis Donnerstag mit z.T. kräftigen Regen
langsam südwärts überquert – ein Szenario, das im deterministischen Vergleich
etwas aus dem Rahmen fällt.

FAZIT: Im Großen und Ganzen steht der Fahrplan, allerdings mit den
unweigerlichen „Verspätungen“ in Form von Timingunterschieden.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Sowohl die IFS-EPS- als auch die GFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher
Städte zeigen bei der Temperatur (850 hPa) und beim Potenzial (500 hPa) das
klassische Schwingungsmuster. Mal liegen wir vorderseitig, mal rückseitig, mal
greift Zwischenhocheinfluss. Die Niederschlagssignale spielen dieses Spielchen
anständig mit und zeigen bis Mitte nächster Woche relativ deutlich, wann das
Geschehen zyklonal beeinflusst ist und wann sich mal ein antizyklonales Fenster
dazwischenschiebt. Die Streuung ist zunächst relativ gering, nimmt dann von
Dienstag zu Mittwoch aber allmählich zu. So ist es durchaus möglich, dass der
vom Hauptlauf für Dienstag avisierte Zwischenhocheinfluss kürzer ausfällt, was
zumindest in Teilen der Lesart von ICON und GFS entsprechen würde. In Richtung
drittes Adventswochenende wird das Kurvenkonsortium diffus. So schwankt z.B. das
Spektrum T850 für Offenbach zwischen +6 und -6°C ohne erkennbaren Median und
zwei Kaltluftausreißen in Richtung -10°C.
Für den Zeitraum T+120…168h (Dienstag bis Donnerstag) werden bei IFS-EPS fünf
Cluster angeboten. Sie weisen zu Beginn alle das gleiche mäandrierende
Grundmuster auf. Das Außenseitercluster CL 5 (5 Fälle) zonalisiert dann ziemlich
rasch, was in etwa dem GFS-Szenario entspricht. Die anderen vier Cluster
unterscheiden sich – bezogen auf unseren Raum – in Geometrie und
Verlagerungsgeschwindigkeit des Höhenrückens respektive Zwischenhochs. Haupt-
und Kontrolllauf finden sich dabei nur in CL 4 wieder (9 Fälle). Insbesondere
bei CL 2 und 3 (jeweils 12 Ensemblemitglieder) fällt das antizyklonale Fenster
schwächer und etwas kürzer aus.
Ab Freitag (T+192…240h) bleibt es bei fünf Clustern (16, 15 + HL/KL, 9, 8, 3
Fälle), von denen die ersten drei auf eine relativ glatte West- oder Südwestlage
zusteuern. CL 4 und 5 favorisieren hingegen einen Trog über Mitteleuropa, der
evtl. südlich der Alpen abtropft.

FAZIT: Die Ensembles stützen zumindest bis Mitte kommender Woche den Hauptlauf,
signalisieren mehrheitlich aber einen etwas kürzeren und schwächeren
Zwischenhocheinfluss am Dienstag.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Bei den signifikanten Wettererscheinungen scheint nach Lage der Dinge das Thema
WIND/STURM ganz oben auf der Agenda zu stehen. Zwar drängt sich auch heute kein
Extremereignis auf (z.B. durch einen Schnellläufer). Gleichwohl sollte man
gerade den Montagabend bzw. die Nacht zum Dienstag an der Nordsee im Auge
behalten, zumal auch ICON die Deutsche Bucht mit reichlich Böen der Stärke 10
bis 12 Bft zupflastert. Ansonsten stehen in der Regel die Hochlagen sowie die
Küste im Fokus.
In puncto Niederschlag sind die Hinweise auf signifikante Ereignisse dünn.
Vielleicht reicht es in der Nacht zum Dienstag an und in den Alpen für 10 bis 20
cm Neuschnee, aber auch nur vielleicht.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, MOS-Mix.

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann