S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T ausgegeben am Freitag, den 21.06.2019 um 10.30 UTC

Hitzewelle mit Höhepunkt voraussichtlich zur Wochenmitte. Dabei vor allem im Südwesten und Westen sehr heiß. Danach leicht ansteigendes Potenzial für Hitzegewitter und von Norden etwas kühler.

Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 28.06.2019

In der Mittelfrist baut sich eine markante Hitzewelle auf, die ihren Namen endlich auch mal verdient. Unter gebührender Berücksichtigung der noch vorhandenen Unsicherheiten im Hinblick auf Ausprägung und Andauer der Hitzewelle, scheinen über einige Tage hinweg Höchsttemperaturen von verbreitet deutlich über 30, vor allem nach Westen und Südwesten zu auch über 35 Grad ins Haus zu stehen. Schon beinahe zwangsläufig kommt dabei die Frage auf, ob es sogar für 40 Grad und mehr reichen wird. So spannend diese Fragestellung für Statistikfreunde hinsichtlich etwaiger Rekorde oder für Teilnehmer verschiedener
Tipprunden sein mag, für den „Ottonormalverbraucher“ macht es den Braten nicht mehr fett, ob es 38, 39 oder 40 Grad werden. Denn die
Hitzebelastung wird so oder so auch ohne Schwüle ziemlich hoch sein.

Zu Beginn des Mittelfristzeitraums am Montag ist die „Maschinerie“ Richtung Hitze schon in Gang gesetzt. Zwischen Azoren und Biskaya hat sich ein Höhentief eingenistet, das wenig Anstalten macht, seinen angestammten Platz zu verlassen. Auf dessen Vorderseite stützt kräftige WLA einen Rücken, der mit seiner Achse von Afrika über den westlichen Mittelmeerraum nach Mitteleuropa reicht. Von dort
aus „gabelt“ der Rücken in zwei Äste, wobei einer über die Nordsee Richtung Nordmeer, der andere nach Osteuropa gerichtet ist. Dabei wird eine langestreckte
Hochdruckzone vom Seegebiet südlich Island über das Nordmeer und Südskandinavien
bis zum Baltikum gestützt. Deutschland befindet sich dabei in einer östlichen bis südöstlichen Strömung im Zustrom trockener
Kontinentalluft. Die Erwärmung ist überwiegend diabatischer, nicht advektiver Natur, der Ast der niedertroposphärischen Erwärmung befindet sich noch über Westeuropa. Dennoch steigen die Temperaturen in 850 hPa von Nordost nach Südwest auf 12 bis 18 Grad,
was Höchsttemperaturen von verbreitet 30 bis 35 Grad zur Folge hat. Hitzegewitter sind unter dem starken Absinken sehr unwahrscheinlich.

Am Dienstag und Mittwoch schwingt sich die Hitzewelle langsam zu einem Höhepunkt
auf. An der großräumigen Geopotenzialverteilung ändert sich zunächst wenig, allerdings verstärkt sich der Rücken über Mitteleuropa noch etwas. Das Geopotential erreicht außergewöhnlich hohe Werte von teils über 594 gpdam, was einer Anomalie von mehr als 20 gpdam entspricht. Zudem greift die niedertroposphärische WLA von Westeuropa nun doch langsam auf Deutschland über. Der Luftdruck fällt von Südwesten dadurch ein wenig, womit die Strömung etwas mehr Südkomponente erlangt. Die Temperaturen auf 850 hPa steigen in der Südwesthälfte auf 18 bis 22 Grad, nach Norden und Osten zu immerhin auf 13 bis 18 Grad. Aus Hitze wird demnach Affenhitze – verbreitet steigt das Quecksilber auf Werte um 35 Grad, nach Süden und Westen zu auch auf deutlich über 35 Grad. Die Antwort auf die Frage nach den „magischen 40 Grad“ ist aufgrund der medialen
Wirksamkeit heikel, soll an dieser Stelle aber trotzdem genauer angegangen werden. Gehen wir mal davon aus, dass die hohen Werte der Temperaturen in 850 hPa von 22 Grad +/- 1 Grad ganz im Südwesten und Westen bei gleichzeitig hohen Geopotenzialwerten von 1580 bis 1600 gpdam erreicht werden, dann erhält man mithilfe der bekannten Formel (Tmax=0,01*(Höhe der 850-hPa-Druckfläche – Höhe über NN)+T850+3K) für die tiefsten Lagen Höchsttemperaturen von 39 bis 41 Grad. Der Knackpunkt an der Sache ist aber der für die „Überadiabasie“ veranschlagte 3-K-Aufschlag, der einen perfekten Strahlungstag voraussetzt. Hohe Wolkenfelder durch kräftige WLA und/oder leichte Trübung/Wolkenbildung durch Aerosole (Saharastaub) könnten diesen perfekten Strahlungstag verhindern. Fraglich ist auch, ob die turbulente Durchmischung ausreicht, um die Absinkinverson vollständig aufzulösen. Hitzegewitter (mit lokal heftigem Starkregen, Hagel und Downbursts) bleiben aufgrund fehlender oder schwacher dynamischer Unterstützung weiterhin eher die Ausnahme, können aber speziell mit orographischer Unterstützung über den Mittelgebirgen und Richtung Alpen nicht ausgeschlossen werden.

Schon am Mittwoch vollzieht sich über dem Nordmeer und Skandinavien eine flache Austrogung, die sich am Donnerstag und Freitag unter
Amplifizierung über Osteuropa fortsetzt. Dadurch verlagert sich der Rücken unter leichter Abschwächung retrograd nach Westeuropa. Deutschland gelangt folglich in eine recht glatte nordwestliche Höhenströmung. Über den Britischen Inseln und der Nordsee bildet sich ein neuer Hochdruckschwerpunkt aus, an dessen Südostflanke Deutschland bodennah in eine nördliche Strömung kommt. Dabei wird von Norden etwas kühlere Luft herangeführt, der Ast der niedertroposphärischen WLA zieht sich korrelierend mit der retrograden Verlagerung des Geopotenzialfeldes ebenfalls nach Westeuropa zurück. Summa Summarum bedeutet dies ein Rückgang der 850-er Temperaturen von Norden her auf 18 bis 10 Grad, was aber immer noch Sommertage, nach Süden und Südwesten zu verbreitet auch noch Hitzetage bedeutet.
„35 Grad plus x“ würden zumindest nach dieser von den letzten beiden IFS-Läufen simulierten Variante kaum mehr auftreten. Die Umstellung der Wetterlage ginge voraussichtlich aber mit wenig Wetteraktivität vonstatten, wenngleich aufgrund der aufkommenden Baroklinität und des nicht mehr so starken Absinkens die Gefahr
von Schauern und (teils heftige Gewittern) etwas zunimmt.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Bis einschließlich Mittwoch weisen die jüngsten IFS-Läufe eine sehr gute Konsistenz auf. Der Aufbau einer Hitzewelle scheint somit sehr sicher. Ab Wochenmitte zeigt der neuste IFS-00UTC-Lauf wie schon der 12UTC-Lauf von gestern eine von den Vorgängern leicht abweichende Entwicklung. Die Strömung soll am Rande eines Hochs bei den Britischen Inseln und der Nordsee auf nördliche Richtungen drehen, was mit einem von Norden einsetzenden Rückgang des Temperaturniveaus auf etwas moderatere Werte verbunden ist.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Im Gegensatz zu IFS (12 und 00 UTC) vollzieht sich der Trogvorstoß über Nord und
Osteuropa bei ICON und GFS zwar früher, allerdings weiter östlich. Der Rücken verlagert sich dadurch nicht so stark retrograd, bleibt mit seiner Achse über Mitteleuropa (GFS) bzw. schwenkt sogar langsam nach Osten durch (ICON). Weder bei ICON noch bei GFS würde sich über Deutschland in eine nordwestliche bis nördliche Strömung durchsetzen, vielmehr bleibt es anhaltend heiß bis sehr heiß,
die Advektion der heißen Luftmasse könnte sich sogar noch etwas verstärken. GEM schlägt sich auf die Seite von ICON und GFS, NAVGEM eher auf die Seite von IFS.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Das IFS-EPS bestätigt bis einschließlich Mittwoch die Version des deterministischen Modelllaufes bis einschließlich Mittwoch. So zeigen sich die Rauchfahnen von Geopotenzial und 850-hPa-Temperatur bis Mittwoch gut gebündelt. Beide Parameter erreichen am Dienstag und Mittwoch ein relatives Maximum, was gleichbedeutend ist mit dem Höhepunkt der Hitzewelle. Ab Wochenmitte nimmt der Spread deutlich zu. Eine größere Anzahl an Membern zeigt am Donnerstag und Freitag einen Temperaturrückgang auf Werte um 15 Grad in
850 hPa im Südwesten und um 10 Grad im Nordosten. Eine nicht zu vernachlässigende Anzahl an Membern (vor allem nach Süden zu) sehen aber auch eine Fortdauer der (extremen) Hitze. Was alle Modellläufe des EPS gemeinsam haben, ist der langsame Geopotenzialrückgang ab Wochenmitte. Von Tiefdruckeinfluss kann zwar eher keine Rede sein, dennoch deutet der Geopotenzialrückgang auf schwächelndes Absinken hin, was sich auch in sporadisch „aufpoppenden“ Niederschlagssignalen (Schauer, Hitzegewitter) widerspiegelt. In der erweiterten Mittelfrist gehen die Rauchfahnen noch weiter auseinander, sodass vor allem im Hinblick auf das
Temperaturniveau keinerlei Aussage mehr möglich ist.

Die Clusteranalyse teilt das IFS-EPS für den Zeitraum von Dienstag bis Donnerstag in 3 Cluster, die alle ein Blocking-Regime zeigen. Die Unterschiede sind auf den ersten, eigentlich sogar auf den zweiten Blick eher marginal. Bei genauerem Hinsehen fällt aber auf, dass die Austrogung über Nord- und Osteuropa am Wochenmitte räumlich und zeitlich leicht unterschiedlich simuliert wird. Bei Cluster 1 und 3 (39/51) verlagert sich der Rücken retrograd (Türöffner für die Advektion kühlerer Luftmassen von Norde?), bei Cluster 2 bleibt seine Achse eher nach Mitteleuropa gerichtet.
Für die erweiterte Mittelfrist werden schließlich 4 Cluster gebildet, von denen die meisten eine Zonalisierung („positive NAO“) favorisieren, bei allerdings eher antizyklonalen Verhältnissen über Mitteleuropa.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

HITZE:
Ab Montag ausgeprägte Hitzewelle mit starker, vor allem nach Westen und Südwesten zu auch sehr starker Wärmebelastung. Höhepunkt voraussichtlich am Mittwoch.
GEWITTER:
Am Dienstag und Mittwoch sehr geringe Wahrscheinlichkeit lokaler Hitzegewitter über dem Bergland sowie im äußersten Nordwesten (wenige Member des ICON-EPS mit Signalen). Danach insgesamt leicht ansteigende Gefahr. Bei Hitzegewittern besteht räumlich eng begrenzt Unwettergefahr aufgrund von heftigem Starkregen, Hagel und Downbursts.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, MOS-IFS, MOS-MIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser