Thema des Tages

Numerische Wettervorhersage – Ensemblevorhersagen zur Abschätzung der Vorhersageunsicherheit

Auch die besten Wettervorhersagemodelle können das Wetter nur bis zu einer gewissen Zeit in die Zukunft präzise vorhersagen. Im heutigen Thema des Tages wird erklärt, wie man die (Un-)sicherheit einer Wettervorhersage abschätzen kann.

Heutzutage berechnen komplexe Computerprogramme (sogenannte „numerische Wettervorhersagemodelle“) die physikalischen Prozesse in der Atmosphäre. Als Ergebnis erhält der Meteorologe Informationen über die zeitliche und räumliche Entwicklung der atmosphärischen Größen wie Temperatur, Luftdruck, Wind oder Niederschlag, die er schließlich zu einer Wettervorhersage kombiniert. Allerdings wird mit fortschreitender Vorhersagedauer jede Wetterprognose immer ungenauer und hat irgendwann nichts mehr mit der tatsächlich eintreffenden Wetterlage zu tun.

Für den Vorhersage-Meteorologen ist es von besonderem Interesse, zu wissen, wie weit in die Zukunft die Vorhersage noch „brauchbar“ ist. Eine immer gültige Faustregel hierfür gibt es nämlich nicht. Während bei beständigen Wetterlagen eine zutreffende Prognose manchmal bis über eine Woche hinaus möglich ist, kann in anderen Fällen die Vorhersage schon nach wenigen Tagen stark von der tatsächlich eintreffenden Wetterlage abweichen. Interessiert man sich sogar für relativ kleinräumige Wetterphänomene (z.B. Gewitter), dann können unter Umständen schon für den Folgetag erhebliche Unsicherheiten entstehen.

Doch wie weit in die Zukunft ist eine Wetterprognose nun zuverlässig? Stünde dem Meteorologen nur eine einzige Modellberechnung zur Verfügung, könnte er diese Frage nicht beantworten. Sie beschreibt lediglich EINE mögliche Entwicklung des zukünftigen Wetters. Da die Modelle aber alle paar Stunden neu gestartet werden, kann man die neueste Vorhersage mit der vorherigen vergleichen. Ab einer gewissen Vorhersagezeit werden sich die Ergebnisse unterscheiden, sodass spätestens ab diesem Zeitpunkt die Vorhersage offensichtlich unsicher wird. Da die Wetterdienste verschiedener Nationen unterschiedliche Modelle entwickelt haben, besteht zudem die Möglichkeit, die Vorhersagen der verfügbaren Modelle zu vergleichen. Zeigen sie ab einem bestimmten Tag abweichende Wetterlagen, so wird die Vorhersage für die darauffolgenden Tage unsicher.

Die heutigen Hochleistungsrechner ermöglichen es außerdem, mit dem gleichen Modell zur selben Zeit nicht nur eine, sondern mehrere Vorhersagen zu erstellen. Dabei macht man sich die Ungenauigkeiten des Modells selbst zu Nutze. Schon der Anfangszustand der Atmosphäre als Beginn einer jeden Vorhersage kann niemals exakt bestimmt werden, da uns keine lückenlosen dreidimensionalen Wetterinformationen vorliegen und kein Messgerät absolut exakt misst (s. Thema des Tages vom 17. März.). Bereits kleinste Abweichungen vom tatsächlichen Wetterzustand führen aber früher oder später zu deutlichen
Unterschieden in den Modellergebnissen. Verändert man mittels statistischer Methoden den Anfangszustand geringfügig und nimmt diese leicht unterschiedlichen Ergebnisse als Startpunkt für die einzelnen Modellvorhersagen, wird sich dies auf den Verlauf der berechneten Vorhersage auswirken. So erzeugt der Deutsche Wetterdienst mit seinem Modell „ICON“ zum selben Zeitpunkt 40 unterschiedliche
Modellvorhersagen. Anfangs werden die Prognosen der einzelnen Modelläufe noch relativ ähnlich aussehen, weiter in der Zukunft unterscheiden sie sich aber zusehends.

Andere nationale Wetterdienste verfahren mit ihren Modellen ähnlich. Die beigefügte Grafik zeigt zwei Beispiele des Ensembles des amerikanischen Modells „GFS“. Dargestellt ist der Verlauf der Temperatur in etwa 1500 m Höhe als eine für den Meteorologen wichtige Schlüsselgröße. Im ersten Beispiel unterscheiden sich die
Temperaturen bis zum sechsten Folgetag (22. April) nur geringfügig voneinander, danach gehen die einzelnen Kurven schlagartig
unterschiedliche Wege. Ab diesem Zeitpunkt wird die Vorhersage also unsicher. Im zweiten Beispiel werden die Weichen für die zukünftige Wetterentwicklung offensichtlich schon nach weniger als zwei Vorhersagetagen gestellt (9. März). Somit war damals eine
zuverlässige Wettervorhersage für mehrere Tage kaum möglich. Bei genauerer Betrachtung kann man zudem die einzelnen Kurven in Gruppen einteilen, die einen ähnlichen Weg einschlagen und danach beurteilen, welche der möglichen Temperaturverläufe am wahrscheinlichsten ist. Somit kann man beispielsweise abschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass uns in den nächsten Tagen eine Hitzewelle oder ein Kälterückfall droht. Eine Garantie ist das aber nicht, manchmal setzt sich auch eine „Außenseiterlösung“ durch. Eine detailliertere Erläuterung zur Bedeutung der einzelnen Kurven finden Sie übrigens im Thema des Tages vom 21.03.2018.

Die Ensembleprognosen liefern unserem Mittelfrist-Meteorologen, der sich mit dem Wetter der kommenden vier bis zehn Tage befasst, sehr hilfreiche Informationen, um die Unsicherheit der Wettervorhersage für diesen Zeitraum abzuschätzen. Neben der 10-Tage-Vorhersage verfasst er täglich einen ausführlichen Bericht (Synoptische Übersicht Mittelfrist), in dem die Vorhersagen der unterschiedlichen Wettermodelle und die Ensembles analysiert werden. Der interessierte Hobbymeteorologe darf gerne einmal einen Blick in diesen Bericht werfen (s. unten angefügter Link).

Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.05.2019

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